Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

9 Spielregeln für partnerschaftlichen Erfolg

Waltraud Martius: Sehr
geehrte Chat – TeilnehmerInnen, zunächst wünsche ich Ihnen allen ein tolles
2011. Mögen alle Ihre kleinen und großen Wünsche für dieses sicherlich tolle
Jahr in Erfüllung gehen. Das Thema der Werte und Normen begleitet uns sicherlich
auch in diesem Jahr im Franchising. Und mit der 2. Auflage meines Buches
“Fairplay Franchising”, das mittlerweile in vielen Franchisesystemen zur
Standardlektüre für FranchisenehmerInnen und MitarbeiterInnen in den
Franchisezentralen geworden ist, möchte ich wiederum einen Beitrag zur
Etablierung von Fairplay im Franchising leisten. Ich freue mich auf Ihre Fragen
und Diskussionsbeiträge, herzlichst, Ihre Waltraud Martius

Leser: Sehr geehrte Frau Martius, könnten Sie
die 9 Spielregeln für den partnerschaftlichen Erfolg vielleicht kurz auflisten?
Ich würde sie gerne als Checkliste für künftige Gespräche verwenden.

Waltraud Martius: Sehr gerne. Eine
kurze Zusammenfassung finden Sie auch auf www.fairplay-franchising.com. 1. Wer
die Kuh melken will, muss sie auch füttern. 2. Wertschöpfung kommt von
Wertschätzung. 3. Erfolg braucht partnerschaftliche Führung. 4. Franchising ist
eine emotionale Heimat. 5. Das Potenzial der Soft-Faktoren ist stärker als man
glaubt. 6.Erfolg und Wachstum bringen auch Risiken mit sich. 7.
Systemführerschaft und Denken in Netzwerken schaffen Vorsprung. 8. Jeder Erfolg
hat Spielregeln. 9. Konsequenz ist wichtiger als Strenge.

Leser: Liebe Frau Martius: Einer Ihrer
Berater-Kollegen hält nach den jüngsten Presseveröffentlichungen die
Konzentration des Franchising auf die Zielgruppe der Existenzgründer für
verfehlt. Sollte die Franchise-Wirtschaft verstärkt Manager/Innen mit dem
Potential zur Führung mehrerer Betriebe suchen?

Waltraud Martius: Ich kann diese
pauschale Aussage nicht unterstreichen. Denn die Entscheidung, mit welcher Art
von FNn gearbeitet wird, hängt vom zu franchisierenden Betriebstyp und dem
Anforderungsprofil an die zukünftigen FN ab. Gerade das Engagement der
Existenzgründer und der Wille etwas Neues zu machen und Eigenverantwortung zu
übernehmen, können ein System beflügeln. Ich kenne viele erfolgreiche Beispiele,
gerade weibliche Existenzgründer. Meine Beratungserfahrung zeigt, dass die FG
sich zu wenig Gedanken machen über die Zielgruppe ihrer zukünftigen FN und alles
“über einen Kamm scheren”. D.h. dass das Franchisepaket nicht differenziert ist,
denn natürlich brauchen Existenzgründer ganz andere Unterstützungen als bereits
bestehende Unternehmer. Und ob ein FN einen oder mehrere Standorte führen soll,
hängt natürlich auch stark vom Betriebstyp und dem Anforderungsprofil ab. Aber
auch hier erlebe ich die Branche als nicht sehr professionell. In den wenigsten
Systemen gibt es klare Expansionskriterien, d.h. es muss festgelegt werden, was
der FN zu erfüllen hat, damit er einen weiteren Standort bekommen und führen
kann. In meinem Buch habe ich dazu ein Interview mit Herrn James Sernett, Senior
Director Franchising von McDonald´s Europe. Hier können Sie perfekt nachlesen,
was die Expansionskriterien sind. Und an erster Stelle steht nicht die
Finanzierung, sondern Kriterien wie Mitarbeiterzufriedenheit,
Kundenzufriedenheit usw. werden hier herangezogen.

Leser: Guten Morgen, liebe Frau Martius. Gibt
es neben den von Ihnen genannten 9 Spielregeln weitere Kriterien, die für den
Erfolg eines Franchise-Unternehmens entscheidend sind?

Waltraud Martius: Meine 9
Spielregeln beziehen sich stark auf die Softfaktoren des Franchising. Natürlich
braucht es zunächst einen erfolgreichen Betriebstyp, der erprobt und ausgereift
ist. Eine entsprechende Know-How- Dokumentation und die dazu notwendigen
Unterlagen wie Manuals, Extranet usw. Und die Franchisetools zur Unterstützung
des FNs müssen professionell entwickelt sein. Ein ausgereiftes Franchisepaket
ist die Basis eines jeden erfolgreichen Franchisesystems.

Leser: Hallo Frau Martius: Ich finde es
richtig und notwendig, dass Sie die Fairness in der Franchise-Partnerschaft zum
Thema machen. Nach meiner eigenen Erfahrung mangelt es den Franchisegebern
häufig an Wertschätzung für die Persönlichkeit, Erfahrungen und Leistungen ihrer
Franchisenehmer.

Waltraud Martius: Ich würde jetzt
nicht sagen, dass dies generell der Fall ist. Viele meiner FG, die ich berate,
leben “Fairplay Franchising” professionell und sind damit sehr erfolgreich. Aber
es gibt leider immer wieder das eine oder andere System, das nicht versteht,
dass Franchising ein Geben und Nehmen ist und dass die gegenseitige Anerkennnung
dessen, was der Partner einbringt, eine wesentliche Basis für den langfristigen
Erfolg darstellt. Leider trifft das auch für FN immer wieder zu.

Leser: Für welche Art von Franchise-Systemen
macht Multi-Unit-Franchising wirklich Sinn? Ich nehme an, dass nicht jedes
Geschäftskonzept dafür in Betracht kommt.

Waltraud Martius: Da haben Sie
vollkommen recht. Zunächst muss sich der Betriebstyp rechnen. Also verträgt das
Konzept Mitarbeiter oder werden die Kosten dann so hoch, dass zwar der Umsatz
steigt, aber der DB nicht besser wird, dann ist es meistens sinnvoll, dass der
FN selber aktiv das Geschäft betreibt. Dann hängt es natürlich ganz davon ab, ob
das Geschäft mit Mitarbeitern zu erfüllen ist und ob die Führung über den FN
gewährleistet, dass das Konzept professionell zum Wohle des Kunden umgesetzt
werden kann. Letztendlich ist es eine betriebswirtschaftliche Betrachtung. Und
davon dann natürlich abhängig, welchen FN die FGs suchen, aber sehr oft ist das
Anforderungsprofil nicht klar, und damit geht es dann schief. Und meistens
werden der 2. und der 3. Standort viel zu schnell vergeben. Siehe dazu auch
meine Anmerkungen oben. Insbesondere zu den Expansionskriterien.

Leser: Gibt es außerdem KO-Kriterien bei der
Auswahl eines Franchisesystems, die man als Franchise-Interessent unbedingt
kennen sollte?

Waltraud Martius: Zunächst müssen
Sie festlegen, in welcher Branche Sie arbeiten möchten und ob das System zu
Ihnen passt. Überlegen Sie sehr genau, was Sie möchten und welche Ziele Sie mit
Ihrer Selbstständigkeit verfolgen. Auch natürlich welches finanzielle Risiko Sie
eingehen möchten. Sprechen Sie mit eventuell schon vorhandenen FN und überlegen
Sie, ob Sie in Zukunft mit diesen FNs Ihrer Erfahrungen austauschen
möchten.

Leser: Wo setzt Ihre Hauptkritik an den
bestehenden Partnerbeziehungen im Franchising an? Was muss aus Ihrer Sicht
geschehen, um diese Kritikpunkte auszuräumen?

Waltraud Martius: Es gibt bei mir
keine Hauptkritik, denn jedes System macht das, was es am besten kann. Und jedes
System hat ein Anrecht auf seine Entwicklung. Viele Systeme nutzen die Kraft der
Softfaktoren und erkennen die Stärke der partnerschaftlichen Führung eines
Franchisesystems. Und viele Systeme müssen erst das Vertrauen gewinnen und sich
dort hin entwickeln. Da wünsche ich mir manchmal mehr Mut von den FG, auch die
Kraft der Gruppe zuzulassen.

Leser: Welche Veränderungen bringt die
Umstellung auf Multi-Unit-Franchise für die Systemzentralen mit sich? Was
bedeutet dies für die Schulung und Betreuung durch den Franchisegeber?

Waltraud Martius: Das hängt sehr
stark vom System ab. Zunächst muss das Anforderungsprofil genau betrachtet
werden. Sind die bestehenden FNs fähig, weitere Standorte zu übernehmen. Und
wenn ja, welche Unterstützung benötigen die FNs dabei. Wenn Sie FNs haben,
sollten Sie diese einfach befragen und es in Workshops gemeinsam erarbeiten.
Wenn wir derartige Konzepte entwickeln, achten wir immer sehr auf die
Bedürfnisse und die Ängste der Menschen. Insbesondere im Bereich der Führung,
Auswahl und Suche von Mitarbeitern müssen Sie Instrumente und Tools und
Ausbildung anbieten. Eventuell auch im Bereich der Entlohnung, z.B.
Prämiensysteme, die Sie empfehlen usw. Und natürlich verstärkt das Thema der
Qualitätssicherung, mit welchen Instrumenten kann der FN diese durchführen und
welche Instrumente setzt die Zentrale dafür ein. In der Betreuung braucht es
mehr Zeit für die jährliche Wirtschaftsplanung der Standorte und eben Wissen zum
Thema Führung.

Leser: Welche Informationen müssen
Franchisegeber ihren Partnern vorab zur Verfügung stellen? Welche Konsequenzen
haben unrichtige Angaben?

Waltraud Martius: Es gibt bei den
Verbänden eine Checkliste zur Vorvertraglichen Aufklärungspflicht und auch hier
auf www.franchisportal.de finden Sie viele gute Checklisten, mit denen Sie
arbeiten können. Ein seriöser FG gibt Ihnen alle Informationen, die Sie
benötigen, um sich miteinander eintscheiden zu können.

Leser: Guten Morgen. Ich finde es
erschreckend, wie unausgegoren manche Franchise-Konzepte sind. Weshalb sorgt das
Bundeswirtschaftsministerium nicht für eine Professionalisierung dieses für die
Volkswirtschaft wichtigen Sektors, indem sie z.B. gezielt die Beratung von
Systemzentralen fördert oder Wettbewerbe veranstaltet und Preise in
verschiedenen Kategorien vergibt?

Waltraud Martius: Das ist eine
gute Idee, da sollten Sie mit Herrn Brodersen vom deutschen Franchiseverband
oder mit Frau Seifert vom Österr. Verband sprechen. Die Verbände haben klare
Qualitätsvorgaben für seriöses Franchising und die müssen von den Mitgliedern
auch erfüllt sein. Es gibt den Systemcheck und die Franchise-Awards, also hier
gibt es vieles in der Branche, das die Qualität der Systeme sichert. Ich bin
nicht Ihrer Meinung, dass es so viele unausgegorene Systeme gibt.

Leser: Ich persönlich sehe eher die Gefahr,
dass die lautstarken Franchisenehmer in den partnerschaftlich orientierten
Franchise-Systemen zu großes Gewicht bekommen und die klare Führung verloren
geht. Sind nicht die relativ rigiden Konzepte aus der Systemgastronomie
besonders erfolgreich?

Waltraud Martius: Dann haben Sie
die falschen Partner ausgewählt. Es geht um Systemführerschaft und nicht um
Sozialromantik. Und da es gerade in der Systemgastronomie klare Spielregeln der
Zusammenarbeit gibt und eine starke Partizipation der FN, z.B. durch Beiräte,
sind diese so erfolgreich. Alle erfolgreichen systemgastronomischen
Franchisekonzepte leben Fairplay professionell und wissen um die Stärke der
Softfaktoren. Bitte verwechseln Sie Fairplay nicht mit “laisser faire”.

Leser: Wie viel Kreativität verträgt ein
Franchise-System seitens der Franchise-Nehmer? Muss es in der Lage sein,
Querdenker und Kritiker zu integrieren oder kostet das zu viel Zeit und
Energie?

Waltraud Martius: Es braucht so
viel an Kreativität, wie das Geschäftskonzept benötigt, um sich
weiterzuentwickeln. Und es braucht klare Spielregeln, wie Ideen und Anregungen
der FNs in das System integriert oder eben nicht integriert werden. Es braucht
die richtigen Kanäle, dann ist es nicht Arbeit, sondern Entlastung für die
Franchisezentralen. Allerdings wenn sich der FG nicht selber über sein Konzept
klar ist und nicht durch erfolgreiche Pilotierung die Grenzen und Leitplanken
setzen kann, dann läuft die Partizipation aus dem Ruder.

Leser: Müsste die Mehrheit der
Franchise-Unternehmen nicht erst einmal ihre Kompetenz und Attraktivität
erhöhen, bevor sich erfahrene Manager auf ihre Konzepte einlassen? Niemand
riskiert seine Karriere und sein Vermögen für eine unsichere Existenz!!

Waltraud Martius: Das sehe ich
nicht so, es gibt genügend Manager die sich mit Franchising erfolgreich
selbstständig gemacht haben, nicht nur in der Systemgastronomie. Es liegt eher
an dem Bedürfnis der Menschen alles selbst bestimmen zu müssen und erst lernen
zu müssen, dass es miteinander wesentlich besser geht. Ich zitiere hier gerne
Ray Kroc (Begründer McDonald´s): “None of us is as good as all of us!) und
vielleicht ist das auch ein typisch männliches Phänomen zu glauben, alles
alleine schaffen zu müssen :-. Und die Scheiterungsraten im Franchising
(durchschnittlich 4 %) zeigen ja, dass es wesentlich weniger gefährlich ist,
sich mit Franchising selbstständig zu machen, als alleine (durchschnittlich
30%). Und viele Systeme sind für hochkarätige Manager gar nicht geeignet. Wir
vermitteln sehr erfolgreich ausländische Konzepte und die Übernahme eines
gesamten Systems ist sehr oft ein attraktives Thema für derartige Manager.

Leser: Inwieweit verändert
Multi-Unit-Franchise das Anforderungsprofil an die Partner-Manager/Innen in der
Systemzentrale?

Waltraud Martius: Siehe dazu oben.
Die Beratung der FNs im Bereich Mitarbeiter muss dazukommen und da müssen oft
PMs auch ihre Hausaufgaben erst machen.

Leser: Welche Intensität der Betreuung darf
ein Franchisenehmer von seiner Systemzentrale erwarten? Welches sind die
wesentlichen Betreuungsleistungen?

Waltraud Martius: Das hängt vom
System ab, vom Produkt, von den Dienstleistungen, von der Schnelligkeit der
Branche usw. Generell einmal im Jahr ein Planungsgespräch und vierteljährlich
ein Controlling-Gespräch. Aber wie gesagt, dass hängt ganz vom System ab und
kann nicht pauschaliert werden und natürlich hängt es auch sehr stark vom
Anforderungsprofil und den Fähigkeiten der FNs ab.

Leser: Sollte man als Franchise-Interessent
die Unterstützung einer Rekrutierungsagentur in Anspruch nehmen? Wird man dort
individuell und objektiv beraten oder hängt die Auswahl – wie im
Versicherungswesen – von der Höhe der im Hintergrund gezahlten Provisionen ab?

Waltraud Martius: Das hängt davon
ab, wie viel Zeit Sie in die Auswahl Ihres Systems stecken können. Ich empfehle
gerne diese Zusammenarbeit, da Sie davon ausgehen können, dass diese Systeme
geprüft sind und dass der Vermittler nicht nur einmalig von einer Provision
lebt, sondern auch von seinem Image, die richtigen Systeme an die richtigen
Menschen vermittelt zu haben. Holen Sie doch einfach Referenzen ein.

Leser: Leider gehört nur ein Teil der
Franchisesysteme dem Franchise-Verband an. Gibt es keine Prüfstelle für
Franchiseunternehmen? Ich möchte mich möglichst objektiv über Seriosität und
Profitabilität eines bestimmten Franchiseunternehmens informieren lassen.

Waltraud Martius: Diese Prüfstelle
sind die Verbände. Wenn Sie sich für ein System interessieren dass noch nicht
Mitglied ist, lassen Sie sich die Gründe nennen, fragen Sie trotzdem bei den
Verbänden nach. Nützen Sie die Checklisten. Fragen Sie bei den Kammern nach und
bei Beratern. Und bei den bestehenden FNs.

Leser: Ich verstehe, dass Ihnen meine Kritik
zu pauschal erscheint. Sind die von Ihnen erwähnten Scheiterungsraten durch
wissenschaftliche Studien belegt oder beruhen Sie auf Schätzungen?

Waltraud Martius: Die Studien
werden jährlich von Instituten erhoben, z.B. dem Centrum für Franchising und
Cooperation in Münster, bzw. in Österreich vom Institut für KMU Forschung.

Leser: Gibt es im Franchising keine Studien,
in denen Daten zur Zufriedenheit der Franchisenehmer erhoben werden? Damit
könnte man doch ein Ranking erstellen, inwieweit Franchiseunternehmen von ihren
bestehenden Partnern empfohlen werden.

Waltraud Martius: Natürlich gibt
es das. Der von den Verbänden verpflichtend alle 3 Jahre vorgegebene Systemcheck
beinhaltet auch eine FN-Zufriedenheitsbefragung. Diese wird von erfolgreichen
Systemen auch offen gelegt und zur “Systemwerbung” verwendet. Viele Systeme
erstellen regelmäßig darüber hinaus eine sogenannte Partnerschaftsbilanz, in der
nicht nur die Zufriedenheit der FNs abgefragt wird, sondern auch die FGs ihre
Zufriedenheit mit ihren FNs äußern. Diese Bilanzen sind dann die Basis für die
gemeinsame Arbeit an der Weiterentwicklung des Systems.

Leser: Über welche Medien würden Sie Manager
für Multi-Unit-Franchising ansprechen? Haben Sie Erfahrung mit Headhunting?

Waltraud Martius: Das hängt jetzt
ganz vom Anforderungsprofil an die FNs und der Branche ab. Wir haben auch schon
sehr gute Erfahrungen mit Headhunting gemacht, es ist nur eine sehr teure
Suchvariante. Aber die Rekrutierung von FNs ist generell kostspielig, immerhin
geht es ja um eine “Lebensentscheidung”. Wenn die Zielgruppe und das Profil klar
sind, dann ist eine professionelle zielgruppengenaue PR sehr oft ein guter Weg,
den Boden der Akquise aufzubereiten. Wenn Sie mir die Branche sagen, kann ich
konkreter werden.

Leser: Wir sind ein ganz junges
Franchise-Unternehmen mit erst einem Partner und wollen demnächst durchstarten.
Können Sie uns eine deutsche Gründermesse als Ausgangspunkt für unsere
Partnergewinnung empfehlen?

Waltraud Martius: Die START Messen
sind in Deutschland sehr gute Messen. Haben Sie ein klares Anforderungsprofil
und Ihre Zielgruppe definiert??? Alle Tools fertig?

Leser: Wie weit darf ein Franchisegeber bei
den Vorgaben gegenüber seinen selbstständigen Partnern gehen? Wo enden seine
Befugnisse?

Waltraud Martius: Der einzige
Maßstab für einen erfolgreichen FG sind seine erfolgreichen FNs. Alles was der
FN benötigt, um erfolgreich sein Geschäft führen zu können, darf und muss in den
“Vorgaben” des FGs enthalten sein. Franchising ist kein Konzept der “Knebelung”
sondern des gemeinsamen Erfolges. Vorgaben sind Unterstützungen und Garanten,
dass die Existenz funktionieren wird.

Leser: ich meine ja! An welche Tools denken
Sie?

Waltraud Martius: Systemdarstellung, Partnerantrag, Rekrutierungswebsite, Checklisten zur
Auswahl der FNs, Anforderungsprofil, Suchinserate, Pressetexte……
Rekrutierungsprozess der Zentrale…., aber auch Handbücher, Extranets,
wirtschaftliche Modelle, Marketingtools, Controlling und Benchmarking,
Grundausbildung, Partnermanagement gerade in der Anfangsphase usw….. Prozess
der Systemintegration der neuen FNs und alle Prozesse ihrer Systemzentrale….
bis hin zum Prozess der Trennung von einem FN, denn der kommt schneller als man
anfangs plant…..

Leser: Wie viele Franchiseehmer würden Sie als
Kandidatin persönlich zu ihren Erfahrungen befragen? Werden sich Franchisenehmer
nicht im eigenen Interesse und dem des Systems eher positiv als kritisch über
ihr Franchiseunternehmen äußern, wenn sie von einem Kandidaten befragt werden?
Dies umso mehr, wenn sie vom Franchisegeber als Referenz genannt wurden.

Waltraud Martius: Nein, da denken
Sie völlig falsch. Wenn ein FN gut über sein System spricht, dann meint er es
auch ernst. Und unsere Erfahrungen zeigen, dass Sie sehr ehrliche Antworten
erhalten.

Leser: da steht uns wohl doch noch viel Arbeit
bevor… – Wie können wir als junges Franchise-Unternehmen das ausgeprägte
Sicherheitsbedürfnis auf Seiten der Existenzgründer befriedigen, ohne falsche
oder überzogene Versprechungen zu machen?

Waltraud Martius: Indem Sie ganz
offen und ehrlich sagen, dass Sie ein neues System sind, dass Sie am Anfang
stehen, dass Sie nun die ersten FNs suchen und auch ein bisschen die Pioniere
brauchen, die bereit sind, an was Neues zu glauben und auch mitgestalten
wollen….. Und binden Sie Ihren ersten FN ein, der hoffentlich erfolgreich
ist…. und legen Sie die Zahlen Ihres Pilotbetriebes offen… wenn sie gut
sind, haben Sie nichts zu verheimlichen…. Und starten Sie bitte erst, wenn Sie
Ihre Hausaufgaben gemacht haben, wenn Sie mit einem unfertigen Konzept starten,
ist das unseriös und Sie werden nicht erfolgreich sein, sondern nur Geld in die
Rekrutierung stecken, lieber noch ein halbes Jahr warten und die Tools fertig
stellen und dann durchstarten. Melden Sie sich per mail, dann kann ich Ihnen
noch Unterstützung in der Perfektionierung Ihres Systems geben.

Leser: Erlauben Sie mir, Ihnen eine weitere
kritische Frage zum Franchising zu stellen? Warum geht denn die
Internationalisierung der deutschen Franchise-Unternehmen so langsam voran? Bei
der sonstigen Exportstärke der deutschen Industrie fällt diese Schwäche
besonders ins Auge. Was muss geschehen, damit die Franchise-Wirtschaft auch
international mithalten kann?

Waltraud Martius: Sie dürfen mir
alle Fragen stellen, die Sie stellen möchten :-). Es ist ein großer Unterscheid,
ob Produkte oder fertige Geschäftskonzepte exportiert werden. Die
Internationalisierung von Franchisesystemen ist weltweit kein wirklich großes
Thema, das glaubt man nur….weil man zwangsläufig die großen
Systemgastronomiesysteme kennt. In allen Ländern der Welt sind ca. 80% der
Franchisesysteme im gleichen Kulturkreis (Sprachenkreis) tätig. Und die
Internationalisierung ist nur dann sinnvoll, wenn das Produkt und die
Dienstleistungen tatsächlich in anderen Ländern gebraucht werden. Das ist aber
sehr oft nicht der Fall. Und sehr oft gibt es bereits sehr erfolgreiche
vergleichbare Systeme in diesen Ländern. Außerdem muss für die
Internationalisierung der Heimatmarkt professionell bestellt sein, und viele der
deutschen Systeme haben noch genügend Kapazität im deutschsprachigen Raum um zu
wachsen. Und treffen daher die richtige strategische Entscheidung, die
Internationalisierung noch nicht anzugehen. Außerdem benötigt jede
Internationalisierung die richtige Strategie, die Investition in die Entwicklung
für die internationale Plattform usw., das muss sich auch rechnen.

Leser: Wo finde ich eine möglichst
vollständige Übersicht der in Deutschland tätigen Franchise-Unternehmen? Ich
ziehe es doch vor, mir selbst einen Marktüberblick zu verschaffen.

Waltraud Martius: auf
www.franchisportal.de, beim DFV, generell im Web.

Leser: Was ist unter dem von
Franchise-Anbietern verlangtem Eigenkapital zu verstehen und welche Höhe ist
gerechtfertigt?

Waltraud Martius: Eigenkapital ist
das Geld, das Sie einbringen, also ihr “Erspartes” und tatsächlich vorhandenes
Geld. Die Höhe des einzubringenden EKs ist abhängig vom
Gesamtfinanzierungsvolumen des Projektes. Die Empfehlungen der (Förder-)banken
liegen bei 25 bis 30%.

Leser: Worauf sollten Franchise-Geber bei der
Eingliederung neuer Partner besonders achten? Wie lässt sich von Beginn an das
Konkurrenzdenken abbauen?

Waltraud Martius: Es braucht einen
klaren Prozess der Systemintegration, Information aller FNs, dass ein neuer
Partner in das System eintritt. Sehr oft haben sich auch Patenschaften oder
Buddysysteme bewährt. Klarheit über die Gebietsstrukturen, sofern es
Gebietsschutz gibt. Wissen über die Werte im System und vor allen Dingen
gemeinsames Erarbeiten, dass der Wettbewerb außerhalb des Systems sitzt.

Leser: Sie erwähnten Partnerschaftsbilanzen
zur gegenseitigen Beurteilung von Franchisegeber und Franchisenehmern. Worauf
ist seitens der Systemzentrale bei der Durchführung besonders zu achten?

Waltraud Martius: Wie das Wort
schon sagt, sollte es eine “Bilanz” sein, das heißt, dass beide “SEITEN” in die
Bewertung der Partnerschaft einfließen. Und die Bewertungen sollten dann auch
gegenüber gestellt werden können. Also muss in der Erstellung der beiden
Fragebögen darauf geachtet werden, dass die Fragen sich entsprechen. Darüber
hinaus sollte in die meist alle 3 Jahre stattfindende PSB der Beirat in die
Entwicklung der Fragebögen eingebunden sein.

Waltraud Martius: Sehr
geehrte Chat – TeilnehmerInnen, danke für Ihre konstruktiven Fragen und
Beiträge. Ich wünsche Ihnen mit Franchising viel Erfolg und die Erfüllung aller
Ihrer damit verbundenen Wünsche. Herzlichst, Ihre Waltraud
Martius

Waltraud Martius
SYNCON International Franchise Consultants

Waltraud Martius ist Franchise-Beraterin und Mitbegründerin des Österreichischen Franchise-Verbandes (ÖFV). Außerdem ist sie Mitherausgeberin und Autorin mehrerer Bücher über Franchising.

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