Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Die Mär vom ultimativen Franchise-Handbuch

Aus der Reihe “Ansichten zum modernen Franchising”

In einem besonderen Nimbus steht das Franchise-Handbuch. Den Beschreibungen dieser Handbücher haftet stets etwas Nebulöses von geheimen Inhalten, von wichtiger rechtlicher Relevanz, vom zu hütenden Kern des Konzepts und dergleichen mehr an. Jedenfalls wird es gern als unverzichtbarer und zentraler Teil des Franchiseangebotes bezeichnet. Das ist einfach falsch. Richtig ist, dass der Gesetzgeber den Transfer, also die Übertragung des Kern-Know-hows, des Konzepts vom Franchise-Geber auf den Franchise-Nehmer, sicherstellen muss. Hierfür hat ein Franchisegeber den Nachweis zu erbringen. Der Gesetzgeber schreibt jedoch nicht die Form dieses Transfers vor, die bleibt dem Franchise-Geber überlassen. Der kann dieser Pflicht auch ausschließlich durch Schulungen oder Demonstrationsvideos oder was auch immer nachkommen. Einige und auch renommierte Franchise-Unternehmen verzichten komplett auf ein Handbuch. Allerdings empfiehlt sich das Führen eines modernen Franchise-Handbuchs, um neben der Dokumentation auch ein Steuerungsinstrument im System zu implementieren.

Ein „sachgerechtes“ Franchise-Handbuch bedarf für seine Niederschrift ganz oder doch zumindest teilweise des Franchise-kompetenten Autors. Gepflegt wird dieser Nimbus besonders von Franchiseberatern, stellt doch solch eine Niederschrift einen veritablen Auftrag dar.

Diverse beratende Autoren benutzen einen „modularen Aufbau“, bleiben jedoch eine Erklärung schuldig. Mit der Erfahrung aus über 20 Jahren Franchising und dem Schreiben so einiger Franchise-Handbücher und Fachveröffentlichungen bin ich zu der Ansicht gekommen, dass es sich dabei wohl um einen Aufbau in Kapiteln handeln soll. „Modul“ wird gern als „Baustein“ definiert, also einem vorgefertigten Bauelement. Angewendet auf ein Handbuch bedeutet dies, dass vorgefertigter Kapitel wiederholt und unverändert zum Einsatz kommen. Dabei wird es sich um Kapitel mit standardisierten Inhalten wie beispielsweise dem „Franchise im Allgemeinen“ oder „wie ein Handbuch zu lesen ist“, handeln. Mehrfach verwendete Inhalte bezeichnete man früher als „Textblöcke“.

Das Verwenden solcher Textblöcke oder -module vereinfacht die Niederschrift eines Franchise-Handbuches erheblich, führt aber auch zu einer Vereinheitlichung der Franchise-Handbücher verschiedener Franchise-Systeme. Das Franchise-Handbuch gilt aber als Träger eines Know-how, das „geheim, originär und wiedererkennbar (i.S.v. systemtypisch)“ ist. Zumindest wird es mit diesen Attributen im Franchisevertrag belegt. Sichtbar wird ein deutlicher Widerspruch. Wie kann individuelles Konzept durch ein Franchise-Handbuch definiert werden, das aus standardisierten Textblöcken besteht?  

Erfüllt das Know-how die im Vertrag beschriebenen Attribute, so sollte es über einen großen Anteil an fachlichen Inhalten verfügen. Wer kann diese fachlichen Belange besser beschreiben als ein Mitarbeiter des Unternehmens oder der Erdenker des Konzeptes. Ein Berater wird kaum die Tiefen spezialisierter Einzelleistungen von beispielsweise im Markt seltenen Gewerken des Handwerks begreifen, geschweige denn beschreiben können. Dergleichen kann nur ein Projektleiter aus dem Hause des System-Gebers oder der Franchise-Geber in Person selbst leisten. Eine Ausnahme mag vielleicht die Zubereitungsbeschreibung eines Sandwiches oder ähnlicher sogenannter „me too Produkte“ sein. Bei solchen Produkten stellt sich ohnehin die Sinnfrage des Inhalts eines Franchise-Handbuches.

Aber ist es die Aufgabe eines Franchise-Gebers seinem Franchise-Nehmer die Funktionsweise des Einzelhandels vorzuschreiben, wenn dieser als ein erfahrener Einzelhandelsmanager ausgewählt wurde? Muss einem Konditor die Herstellung von Backwaren erläutert werden, wenn das „Aufblasen“ der Teiglinge bereits in der Bedienungsanleitung des Vektorenofens erläutert wird? Dergleichen Beispiele gibt es in der Praxis überall.   

Wozu dann der Aufwand für ein Franchise-Handbuch, mag man sich fragen.
Unbestritten ist, dass ein modernes und gut gemachtes Franchise-Handbuch ein zentrales Instrument zur Steuerung eines Kooperations-Systems und insbesondere des Relationships zu den Franchise-Nehmern sein kann. Die Betonung liegt auf „sein kann“, was auch für die Vergangenheit gilt. Vor allem muss es mehr sein als ein Nachweis für einen Know-how-Transfer. Die zentrale Sinnstiftung für ein modernes Franchise-Handbuch liegt in seiner Benutzung. Traditionelle oder klassische Formen von aufgelisteten Belehrungen und Erläuterungen des Franchisevertrages werden von den Franchise-Nehmern einfach nicht gelesen oder genutzt und verfehlen dadurch ihren Zweck als sinnstiftendes Steuerungsinstrument.

Das Essential für ein modernes, zeitgemäßes Franchise-Handbuch ist seine Digitalisierung. In einem Intranet soll dem Franchise-Nehmer ein interaktives und selbsterklärendes Werk zur Verfügung gestellt werden. Dieses Werk muss vom Franchise-Geber ständig modifiziert werden können und muss den Franchise-Nehmer vor allem „entertainen“. Der Franchise-Nehmer muss schon aus Unterhaltungslust gern im „Franchise-Handbuch“ seines Systems surfen wollen. Ohne diesen Unterhaltungseffekt wird der Franchise-Nehmer nie in seinem Handbuch nachschlagen sondern bei Fragen immer lieber „schnell“ in der Systemzentrale anrufen. Eine recht kostspielige Angelegenheit für größere Systeme.

              
Dieses moderne „Franchise-Handbuch“ muss in seiner Struktur die Komplexität und Wirkungsbeziehungen des Unternehmens widerspiegeln. Am Beispiel bedeutet dies, dass eine Modellauswahl im Einkauf in direkte Beziehung zu sachbezogenen Marketingmaßnahmen zu setzen ist sowie zum Controlling, zu Verkaufsdaten usw. Dadurch ergibt sich eine ganz neue Struktur der Verknüpfung der Inhalte, die, ganz wichtig, interaktiv gestaltet werden muss.

Modulare Textblöcke können da auch gern eingearbeitet werden, müssen aber für die Implementierung in die interaktiven Funktionalitätswege entsprechend modifiziert werden. Die fachlichen Inhalte sind unbedingt unter intensiver Mitwirkung der jeweils kundigen Mitarbeiter des Systemgebers zu formulieren.

Das liest sich nun auch wieder als wäre von Geheimwissenschaften die Rede. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn sich der Franchise-Geber die Zeit nimmt, und das sollte er für sein Regelwerk tun, dann kann er die Umsetzung leicht selbst vornehmen beziehungsweise das Modifizieren seiner bestehenden Handbücher. Die Mitwirkung außenstehender Berater kann auf ein Minimum der Anleitung und Korrektur reduziert werden. Sollen die Texte durch dritte Berater ausformuliert werden, aus Zeit- oder sonstigem Ressourcenmangel, dann sind die intensiv zu briefen und in die fachlichen Inhalte einzuführen.

Ein gutes Franchise-Handbuch zu machen, bedarf für den Franchise-Geber nicht unbedingt viel Geld (für die Anleitung) aber viel Zeit für einen sorgfältigen Inhalt. Aber der Einsatz lohnt sich, denn ein modernes und fortgesetzt gepflegtes Handbuch ist ein wichtiges Steuerungsinstrument und ist Grundlage der Werthaltigkeit eines Franchise-Unternehmens.     

16.12.11 ©opyright Klaus P. Morin

In der heute gängigen Franchisepraxis haben sich im Laufe der Jahre viele Vorgehensweisen, Eigenheiten und Meinungen verfestigt, die einmal hinterfragt werden sollen. Für ein modernes und zukunftsweisendes Franchising können viele dieser Vorgehensweisen verbessert, alte Zöpfe können abgeschnitten und der Einsatz zeitgemäßer Techniken definiert werden.

Klaus P. Morin, Hamburg, blickt auf über 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und dem Aufbau von Franchise Unternehmen zurück. Hier schildert er in lockerer Folge seine ganz persönlichen und teils kritischen Ansichten zur Franchisepraxis und bietet einen ungewöhnlichen Ausblick auf die weiteren Entwicklungen.


Klaus P. Morin Consulting
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