Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Zukunftsstrategien im Franchising

Waltraud Martius: Liebe
Chat-Teilnehmer, herzlich willkommen zum First Franchise Friday Chat im
Franchiseportal. Anstelle von Schnee aus Österreich im Dezember sende ich Ihnen
die warme Sonne aus Zypern. Hier bin ich eingeladen zur wissenschaftlichen
Konferenz über Franchising und Strategische Allianzen. Viele der Praxisthemen,
die wir heute vielleicht auch beplaudern, werden hier wissenschaftlich belegt.
Sehr spannend wenn Theorie und Praxis zusammenkommen. Ich freue mich auf alle
ihre Beiträge und Kommentare, herzlichst, ihre Waltraud Martius

Leser: Liebe Frau Martius. Ich beneide Sie um
die Sonnenstrahlen, bei uns gießt es in Strömen. Welche Zukunftsstrategien
halten Sie im Franchising für besonders aussichtsreich? Könnten Sie mir
Beispiele nennen?

Waltraud Martius: Die Sonne ist
wunderbar, nur die Konferenz so dicht mit tollen Themen, dass wenig Zeit bleibt,
die Sonne auch zu genießen 🙂 Gerade heute in der Früh wurde eine Studie
präsentiert, in der erstmalig das Thema Vertrauen in die Beziehungsqualität im
Franchising mit eingebunden und untersucht wurde. Im Sinne von Fairplay
Franchising (mein aktuelles Buch) ist das eine der wichtigsten
Zukunftsstrategien im Franchising. Franchisegeber müssen es von Anfang an
schaffen, dass sie ein System entwickeln und ein Leistungspaket bereitstellen,
in das die potentiellen und bestehenden Franchisenehmer vertrauen können. Und
umgekehrt müssen die Franchisegeber vertrauen, dass die von ihnen ausgewählten
Partner die richtigen sind, um das Konzept in ihrer Region umzusetzen.

Leser: Guten Morgen, Frau Magister Martius:
Mich würde interessieren, ob Sie auch für die eigentliche Systemführung im
Franchising neue strategische Ansätze sehen.

Waltraud Martius: Ja, die sehe
ich, wir brauchen einen partizipativen Führungsstil. Allerdings müssen die
Standards und die Richtlinien und die unverrückbaren Komponenten eines
Franchisesystems klar definiert sein. Partizipativ heißt nicht “Kuschelkurs”,
heißt nicht “Sozialromantik”, sondern heißt Klarheit in der Aufgabenteilung und
Klarheit in der gemeinsamen Umsetzung. Heißt vor allen Dingen auch
Rollenkonsistenz, also Klarheit darüber, welche gegenseitigen Erwartungen die
Partner haben und wie diese erfüllt werden können, im Sinne des gemeinsamen
Systems. Führung heißt auch darauf zu achten, dass die Gemeinsamkeit vor der
Einsamkeit steht, dass Systeminteressen den Vorrang gegenüber Einzelinteressen
haben.

Leser: Auf welchen Gebieten sehen Sie bislang
ungenutztes Potenzial für strategische Allianzen?

Waltraud Martius: Die Frage ist,
wie Sie strategische Allianzen definieren. Im Franchising liegt sicherlich ein
sehr großes ungenütztes Potenzial in der professionellen Einbeziehung der
Partner in die Weiterentwicklung des Systems, der Produkte oder der
Dienstleistungen. Aber auch in anderen Bereichen könnte die Synergie in Systemen
noch besser genutzt werden. Z.B auch durch weiteren Ausbau der Business
Community, im Marketing und Vertrieb. Und ein sehr großes Potenzial sehe ich in
der Vernetzung der Systeme untereinander.

Waltraud Martius: Die Zukunft
gehört auch jenen Systemen, die regelmäßig ihre Franchisesysteme auf den
Prüfstand stellen. Z.B. kann einmal im Jahr gemeinsam mit dem Beirat an de
Strategien gearbeitet werden. So ist der Beirat nicht nur eine
“Abnickveranstaltung”, sondern ein Instrument der Führung und der Begleitung.
Auch das Team der Franchisezentrale sollte einmal im Jahr in diesen Prozess
eingebunden sein. Einige unserer Kunden begleiten wir schon mit dieser
“Zukunftswerkstatt”.

Leser: Sollte ein ausgefeiltes
Organisationssystem und ein hochwertiges Leistungspaket nicht für ein seriöses
Franchisesystem selbstverständlich sein? Was muss darüber hinaus geschehen, um
die Beziehungsqualität zu erhöhen?

Waltraud Martius: Ja da haben Sie
natürlich recht, aber leider gibt es immer noch Franchisesysteme, die mit einer
halbfertigen Know-How-Dokumentation starten, deren Verträge Fehler beinhalten
und die keine professionelle Grundausbildung anbieten. Immer wieder begegnen wir
Franchisesystemen, deren Controlling eine Katastrophe darstellt oder schlichtweg
den FNs keinen Nutzen bietet. Um die Beziehungsqualität auf Dauer
zufriedenstellend halten zu können, ist eine laufende Beratung und Betreuung der
Partner unumgänglich. Professionelle Tagungen, die nicht nur der reinen
Informationsvermittlung dienen und vor allen Dingen die Berücksichtigung des
Lebenszyklus von Franchisepartnerschaften, aber dazu sicherlich noch
später.

Leser: Guten Morgen Frau Martius, Sie
schreiben “Franchisegeber müssen es von Anfang an schaffen, dass Sie (…) ein
Leistungspaket bereitstellen, in das die potentiellen und bestehenden
Franchisenehmer vertrauen können.” Wir sind ein System mit 16 Franchise-Nehmern
und alle FN würden unser System auch weiterempfehlen. Doch wie kann ich die
potentiellen Franchise-Nehmer überzeugen, dass mein System gut ist. Mit welchen
Argumenten sollte ich arbeiten?

Waltraud Martius: Am besten mit
den bereits erfolgreichen FN, denn als Maßstab für jeden neuen FN sind die
Erfolge der bestehenden FNs und die der Pilotbetriebe. Transparenz und Offenheit
sind gute Strategien, um Vertrauen aufzubauen. Vor allen Dingen aber ein
perfektes System, das sich permanent weiter entwickelt und sich hinterfragt.
Neue FN brauchen auch die Perspektive im System, d.h. welche
Expansionsmöglichkeiten gibt es, was passiert in einem Notfall….. usw.
Probearbeiten ist auch eine gute Möglichkeit, das System kennenzulernen. Zeigen
Sie den Prozess der Systemintegration sowie der laufenden Beratung und Betreuung
auf.

Leser: Guten Morgen nach Zypern! Auf welche
Weise antizipieren Sie in Ihrem Beratungsalltag die Zukunft, um daraus
langfristige Strategien für Ihren Mandanten abzuleiten? Setzen Sie
Szenario-Techniken o.ä. ein?

Waltraud Martius: Ich bin eine
Frau der Praxis und bringe die Erfahrungen aus vielen erfolgreichen Systemen
ein. Natürlich setzen wir die gelernten Instrumente ein, aber am erfolgreichsten
ist es, die FN mit dem FG in die Diskussion zu bringen und die für das System
relevanten Bereiche weiter zu entwickeln, z.B. in Workshops bei Jahrestagungen
oder eben in der Zukunftswerkstatt.

Leser: Unsere wichtigste Aufgabe im Business
Development ist die Identifikation von Zukunftsmärkten, also das frühzeitige
Aufspüren entstehender oder zunehmender Bedürfnisse oder Probleme. Dafür
beobachten wir unsere Zielgruppe und stellen ihr gezielte Fragen. Was würden Sie
in der Analysephase zusätzlich tun?

Waltraud Martius: Kundenworkshops
sind sicherlich ein gutes Instrument, die Einbeziehung von Zukunftsforschern und
Trendanalysten… Unserer Erfahrung nach wissen aber die Systeme sehr gut in
welche Richtung es gehen sollte, nur gibt der operative Alltag oft nicht die
Zeit für die Beschäftigung damit und dies gilt es zu verändern.

Leser: Sie erwähnten den unterschiedlichen
Lebenszyklus von Franchise-Partnerschaften. Wann sollten welche Leistungen im
Vordergrund stehen, um die Bindungsqualität zu erhöhen?

Waltraud Martius: Das kann so
pauschal nicht gesagt werden. Primär geht es nicht um Leistung, sondern um zu
verstehen, in welcher Phase sich der Partner befindet und welches Verhalten dann
abgebracht ist. Es ist die Beziehung unterschiedlich zu handhaben, ob Sie sich
in der Phase der Verliebtheit oder in der Phase der reifen Partnerschaft
befinden……. es gibt 4 Phasen im Lebenszyklus von Franchise-Partnerschaften:
1. Phase der Identifikation 2. Phase der Exploration 3. Phase der Entwicklung
der eigenen Identität 4. Phase der Implementierung der reifen Beziehung und um
in die Phase 4 zu kommen, müssen alle 4 Phasen durchlaufen werden.

Leser: Gibt es im Ausland neue Ansätze für die
Partnergewinnung?

Waltraud Martius: Meinen Sie zur
Gewinnung von FNs außerhalb des Ursprungslandes??? Also den Export eines
erfolgreichen Franchisesystems? Die meisten kennen nur das Masterfranchising,
aber das ist nur eine Strategie, insgesamt gibt es 6 verschiedene Strategien der
Internationalisierung. Zunächst muss die Strategie entschieden werden und damit
das Anforderungsprofil an den zukünftigen ausländischen Partner. Oder meinten
Sie, was wir im deutschsprachigen Raum von anderen Ländern in der Rekrutierung
lernen könnten???

Leser: Ich meinte letzteres. Wie werden sich
speziell die Broker im Franchising, die sich in Deutschland offenbar gerade neu
orientieren, international weiterentwickeln?

Waltraud Martius: Wir hatten
unlängst unser internationales Partnermeeting und da ist natürlich das
Recrruiting immer wieder ein Thema. Es gibt wieder den Trend zu Franchisemessen
(in Österreich war die erste Messe nach 7 Jahren unlängst in Wien und sehr
erfolgreich). Es werden immer mehr auch externe Recruiter eingesetzt (Achtung
auf die Qualität der angebotenen Leistungen). Unumgänglich ist es. in allen
erfolgreichen Franchise-Portalen dabei zu sein, ebenso braucht es eine
professionell gestaltete eigene Rekrutierungswebsite. Ein neues Instrument, das
sich gerade am deutschsprachigen Raum etabliert, ist “netcurator”, eine
Webplattform zur Generierung von Franchisenehmer-Leads, sicherlich ein sehr
geeignetes Instrumente in der Breite und Tiefe potentielle FNs
anzusprechen.

Leser: Gibt es Franchisesysteme mit
ausschließlich weiblichen Partnern? Wenn ja, welche?

Waltraud Martius: Ja, die gibt es!
Aber nicht per se, sondern weil das Thema eben weiblich ist… z.B. Shapeline
oder perfect nails oder trageboutique oder bei Mrs. Sporty ist der Großteil
weiblich oder bei der Musikschule Fröhlich.

Leser: Worauf müssen wir bei der Anpassung
unserer internen Prozesse besonders achten, wenn wir uns für eine
grenzüberschreitende Expansion entscheiden sollten?

Waltraud Martius: Zunächst müssen
Sie die richtige Internationalisierungsstrategie wählen. Siehe Beitrag oben. Und
abhängig davon, ob Sie Direktfranchising oder Area Development oder Master oder
Joint Venture machen, sind die Prozesse entsprechend anzupassen. So pauschal ist
das nicht zu sagen, wichtig ist auf jeden Fall ein sogenanntes “Mastermanual”.
Haben Sie die Strategie schon entschieden??

Leser: Ist Green Franchising ausschließlich
ökologisch zu verstehen oder beinhaltet es weitere Zielsetzungen?

Waltraud Martius: Siehe dazu
Antwort oben.

Leser: Hallo Frau Martius, was aus den Plänen
entstanden, einen “Green Franchise Award” für besonders aktive und erfolgreiche
Geschäftsmodelle einzuführen?

Waltraud Martius: Das ist eine
gute Frage. Greenfranchising wird ja in der Branche unterschiedlich
interpretiert. Meine Interpretation ist, dass per se jedes System “Green” sein
könnte, wenn es die Nachhaltigkeit der Partnerschaft und die gemeinsame
erfolgreiche Beziehung im Fokus des Begriffes von “green” hat. Meine geschätzte
Beraterkollegin Veronika Bellone ist da stark involviert. Für den
Greenfranchising Award wird der Inhalt des Geschäftskonzeptes, also die Produkte
und Services, in den Mittelpunkt gestellt.

Leser: Ich habe gelesen, dass ein Unternehmen
seine gewünschte Zukunft formulieren und diese Vision anschließend aus der
Zukunft zurück in die Gegenwart entwickeln sollte. Halten Sie ein solches
Vorgehen für praktikabel, um zu passenden Zukunftsstrategien zu gelangen?

Waltraud Martius: Das ist eine
sehr gute Strategie, um näher an der Umsetzung zu sein und die Umsetzung nicht
immer auf morgen zu verschieben….Geachtet werden muss dabei auf den richtigen
Zeitpunkt der Umsetzung, um mit neunen Produkten oder Leistungen nicht zu früh
am Markt zu sein.

Leser: In welche Richtung bewegt sich die
Arbeitswelt der Zukunft und wie wird sich diese Entwicklung auf die
Funktionsweise von Franchisesystemen auswirken?

Waltraud Martius: Das kann ich im
Detail nicht beantworten, da ich kein “Arbeitsweltexperte” bin. Meine
Erfahrungen zeigen mir, dass wir generell in der Arbeitswelt das “Fairplay”
berücksichtigen müssen. Nur Menschen, die gerne und gesund arbeiten können, sind
motiviert, ihre Leistungen zu erbringen. Es geht um Einbeziehung der Erfahrungen
der Menschen, um Vertrauen in ihre Fähigkeiten und um sozial
verantwortungsvolles Handeln. Wertschätzung und Anerkennung stehen hierbei im
Mittelpunkt und eine adäquate Entlohnung. Es sollte auch primär nicht mehr um
Gewinnmaximierung gehen….

Leser: Wie erreichen wir bei unseren
ausländischen Kandidaten und Partnern, dass wir statt als deutsches als ein
internationales Franchise-System wahrgenommen werden? Brauchen wir eine
gemeinsame Unternehmenssprache?

Waltraud Martius: Wieso wollen Sie
das??? Manchmal ist der deutsche Ursprung ein Qualitätsmerkmal. Jedes
Unternehmen hat seinen Geburtsort, und die Internationalisierung entsteht nicht
durch die gemeinsame Sprache, sondern dadurch, dass Sie international tätig
sind.

Leser: Wir wollen im ersten Schritt in die
deutschsprachigen Nachbarländer gehen und dort direkt aktiv werden. Sind auch
dafür interne Prozesse anzupassen?

Waltraud Martius: Im
Direkt-Franchising müssen Sie auch die Besonderheiten des Nachbarlandes kennen.
Z.B. bieten wir für die deutschen Franchisesysteme einen “Österreich-Workshop”
an. HIer wird die notwendige Adaptierung festgelegt. Wenn die Kundenmärkte
unterschiedlich sind, sollte es einen Pilotbetrieb geben. Und für die
Rekrutierung und die Betreuung einen Ansprechpartner im Land.

Leser: Haben Sie weitere Tipps allgemeiner Art
wie sich ein Franchise-System – nach innen und außen – zukunftsfähig ausrichten
lässt?

Waltraud Martius: Das Wichtigste
ist die permanente Weiterentwicklung des Systems. Halten Sie auch Ihr System
up-to-date, nichts ist schlimmer als verwaiste Intranets. Haben Sie klare
Prozesse in der Beratung und Betreuung und vor allen Dingen auch bei der
Integration neuer FN, achten Sie sehr auf Ihre bestehenden FN. Und bitte lesen
Sie mein aktuelles Buch “Fairplay Franchising” (siehe auch
www.fairplay-franchising.com)

Leser: In welcher Richtung sollten wir unser
Informations- und Kommunikationskonzept technisch und inhaltlich
weiterentwickeln, um für die absehbare Zukunft gerüstet zu sein?

Waltraud Martius: Das hängt davon
ab, wo Sie jetzt stehen 🙂 Sie brauchen eine professionelle Wissensdatenbank.
Z.B. in Form eines Extranets. Aber auch Einbeziehung von Tools, wie z.B. Frinch
zur individuellen Gestaltung von Werbemitteln. Diskussionsforen werden zwar von
FNs oft gewünscht, aber selten lange genützt. Telefon – und Videokonferenzen
(mit simultaner Protokollierung) sind ein gutes Instrument. Newsletter aber auch
TK zu aktuellen Themen. Qualitätszirkel und regionale Meetings der FNs mit und
ohne dem FG, aber auch Jahrestagungen mit genügend Zeit für Informelles….. und
eine professionelle Beratung und Betreuung der Partner, die nicht nur zum
“Kaffeetrinken” dient, mit Vorbereitung auf beiden Seiten und Protokollierung
der festgelegten Maßnahmen….

Leser: Sie haben sich als Frau der Praxis
“geoutet”. Trotzdem würde mich interessieren, mit welchen Techniken Sie sich
gedanklich von Bestehendem lösen, um Zukunftsstrategien zu entwickeln?

Waltraud Martius: Wir benützen die
gängigen Kreativitätstechniken. Da ich jedoch sehr systemisch denke, benützen
wir auch die Technik der Organisationsaufstellung. Welche Techniken würden Sie
empfehlen?

Leser: Wie würden Sie “Green Franchise”
definieren?

Waltraud Martius: Dazu habe ich
eine Antwort schon gegeben, siehe oben.

Leser: Wir haben intern Schwierigkeiten damit,
die erarbeiteten Annahmen über Zukunftstrends anschließend in unternehmerisches
Handeln zu übersetzen. Wahrscheinlich werden wir einen Workshop veranstalten.
Haben Sie konkrete Anregungen zur Durchführung?

Waltraud Martius: Bearbeiten Sie
mit Ihrem Team und Ihren FNs die Frage:” Was brauchen Sie, um diese Trends
umzusetzen?” und machen Sie Szenarien, was passiert, wenn die Umsetzung erfolgt
und was passiert, wenn alles beim Alten bleibt.

Leser: Viele Systeme expandieren Z.B. nach
Osteuropa. Wie findet man das richtige Expansionsland? Wie stelle man fest, ob
man für “Fernflüge reif ist”?

Waltraud Martius: Zunächst muss
Ihr System im Heimatland professionell aufgestellt sein und erfolgreich von
Ihren FNs umgesetzt werden. Dann braucht es genügend Kapazität für die
Fernflüge, Internationalisierung macht man nicht nebenbei. Dann brauchen Sie die
richtige Internationalsierungsstrategie (siehe dazu auf unserer Website den
Beitrag:” Strategien der Internationalisierung”).. und dann braucht es eine
Know-How Dokumenation (Mastermanual und Extranet) zur Arbeitsteilung zwischen
ihrer Zentrale und dem(n) ausländischen Partner(n). Wenn Sie mir eine Mail
schreiben, sende ich Ihnen gerne kostenlos unsere Franchise-Eignungs-Analyse zur
Internationalsierung, mit der wir in unserem “Internationalisierungs-Workshop”
arbeiten.

Leser: Wie überzeuge ich unsere
Geschäftsführung davon, dass wir unser Geschäftsmodell überprüfen und
möglicherweise komplett erneuern müssen? Mit dem Thema werde ich mich nicht
gerade beliebt machen.

Waltraud Martius: Vielleicht kann
es ja nicht der Ansatz der kompletten Erneuerung sein, sondern der
Weiterentwicklung um am Puls der (Franchise-) Zeit zu sein, um für die Zukunft
gerüstet zu sein, um mit der Qualitätsentwicklung im Franchising mit halten zu
können. Und vielleicht beginnen Sie bei einem Teil der Organisation, z.B. der
Einbeziehung der Partner durch die Gründung eines Beirates oder der Verbesserung
des Prozesses der Systemintegration von neuen Partnern oder der Einführung von
Erfahrungsaustausch, ohne jetzt zu wissen, wo ihr System derzeit steht.

Leser: Mit welchen Hürden ist zu rechnen, wenn
wie bestehende Controlling-Instrumente im europäischen Ausland nutzen wollen?
Sind kulturell bedingte Empfindsamkeiten zu beachten?

Waltraud Martius: Das wichtigste
Kriterium für ein Controlling- und Benchmarking-Instrument ist der Nutzen für
den FN. Und ich gehe davon aus, dass Ihr diesbezügliches Instrument den FNs in
Ihrer Unternehmensführung hilft und nicht nur ein “Meldetool” zur Kontrolle der
Umsätze und der Abrechnung der Franchisegebühren ist. Wenn der Nutzen klar
ersichtlich ist, ist es kein Thema auch in anderen Ländern professionelles
Controlling und Benchmarking zu betreiben.

Waltraud Martius: Im
Franchising haben wir ja zwei Märkte, den Absatzmarkt und den Partnermarkt. Sehr
oft ist die Zukunftsorientierung für den Absatzmarkt gut aufgestellt. Die
Systeme wissen, was die Märkte verlangen und was die Zukunft an Produkten und
Dienstleistungen benötigt. Sehr oft wird in Franchisesystemen aber vergessen,
den Partnermarkt professionell weiterzuentwickeln. Der Franchisegeber ist so
sehr mit der Rekrutierung von neuen Partnern beschäftigt, dass er übersieht,
dass auch die alten FNs betreut und wertgeschätzt und anerkannt werden wollen.
Gerade die systemische Betrachtung der beteiligten Partner und des gesamten
Franchisesystems ist eine gutes Instrument, die Kraft der Gruppe zu nutzen und
zu erkennen, wo der Einzelne steht und eventuell innerlich gekündigte Partner
wieder einzugliedern. Es braucht nicht nur Rituale wie neue Partner im System
aufgenommen werden, sondern auch dafür, wie die “alten Hasen” wertgeschätzt und
eingebunden werden. Wie ist der Umgang mit den “Erstgeborenen”, wenn die Familie
wächst? Wie kommuniziert der FG das Ausscheiden von Partnern usw.

Leser: Welche Auslandsmärkte würden Sie als
Maklersystem im Immobiliensektor in welcher Reihenfolge angehen? Wovon würden
Sie dies abhängig machen? Müssen wir in einzelnen EU-Staaten (z.B. Frankreich)
mit Marktbarrieren rechnen?

Waltraud Martius: Das kann ich so
pauschal nicht sagen. Ich bin keine Immobilienexpertin. Sie sollten die Märkte
untersuchen und Erfahrungen sammeln, wie die Immobilienmärkte und die
Franchisemärkte in diesen Ländern aufgestellt sind. Machen Sie aus Ihrer Sicht
eine Prioritätenliste der Länder, zu denen Ihre Unternehmensphilosophie passt.
Franchising ist vordergründig auch ein Kulturthema.

Leser: Wir unterscheiden bei unseren Analysen
gesellschaftspolitische, technologische, ökologische und persönliche Faktoren,
wobei für uns als Dienstleistungsunternehmen die menschlichen Bedürfnisse im
Mittelpunkt stehen. Im nächsten Schritt wollen wir die komplexen Zusammenhänge
visualisieren und auf der Basis von Szenarien Zukunftsstrategien entwickeln.
Wann setzen Sie die Technik der Organisationsaufstellung ein?

Waltraud Martius: Wenn eine
Herausforderung im System feststeckt, wenn die erkannten Chancen nicht in
Maßnahmen umgesetzt werden können, wenn die Gruppe zu schnell oder zu langsam
wächst, usw. usw…..

Leser: Haben Sie bereits Erfahrung mit Social
Franchising? Ich wüsste gerne von Ihnen, ob Social Franchising eine
Gewinnorientierung des Franchise-Systems ausschließt. Kommen nur gemeinnützige
Organisationen als Franchise-Nehmer in Betracht?

Waltraud Martius: Ich habe mich
schon sehr intensiv mit Social Franchising beschäftigt und mein aktuelles Buch
Fairplay Franchising enthält ein eigenes Kapitel dazu. Auch entwickeln wir
gerade ein SF-System. Es gibt verschiedene Formen des Social Franchising. (3
Typen). Die Skalierung von Inhalten von gemeinnützigen Organisationen ist nur
eine Form davon. Hierbei sind aber andere Gesetzmäßigkeiten zu berücksichtigen
als im klassischen Franchising. Natürlich dürfen Social Franchisesysteme auch
Geld verdienen und Erträge erwirtschaften. Ein sehr erfolgreiches Beispiel ist
“Dialog im Dunkeln”.

Leser: Mit welchen Maßnahmen können
Franchise-Netzwerke die Integration neuer Partner verbessern? Ich nehme an, dass
eine Optimierung gerade in der Startphase die Bindungskräfte langfristig
verstärkt.

Waltraud Martius: Ich nenne das ja
gerne die “Minus 1 – Phase”: Hier wird der Grundstein für die Zukunft gelegt und
auch die Basis für den späteren Umgang mit Konflikten. Es braucht einen
professionellen Prozess der Systemintegration. Versprechen, die hier gegeben
werden, müssen halten. Es braucht Verlässlichkeit und Klarheit in der
Arbeitsteilung. Es braucht Rituale wie die neuen Partner integriert werden.
Eventuell können bestehende, erfolgreiche FNs eine Patenschaft für den neuen FN
übernehmen oder für eine bestimmte Zeit als Buddy zur Verfügung stehen.

Leser: Wären Sie so freundlich, mir die
anderen beiden Varianten des Social Franchising noch kurz zu erläutern?

Waltraud Martius: Inhalt der
verkauften Produkte oder Dienstleistungen ist “Social” und hier wiederum mit und
ohne Ertragsorientierung….. Details, wie gesagt in meinem Buch, aber schnell
besorgen, es ist fast ausverkauft 🙂

Leser: Ist Micro Franchising auch eine Form
des Social Franchising? Eignet sich Micro Franchising nur zur Armutsbekämpfung
in der Dritten Welt oder gibt es auch erfolgversprechende Einsatzmöglichkeiten
in den Industrieländern?

Waltraud Martius: Microfranchising
ist klar definiert als Weiterentwicklung der Microfinanzierungen und als ein
Instrument der Armutsbekämpfung in der Dritten Welt. Auch dazu finden Sie ein
Kapitel in meinem aktuellen Buch “Fairplay Franchising”…

Leser: Welche Konsequenzen hat der
demografische Wandel für das Partnerprofil im Franchising? Müssen wir uns auf
immer ältere Partner einstellen? Was ist dabei besonders zu beachten?

Waltraud Martius: Das ist eine
gute Frage. Ich denke, es ist generell notwendig, da wir alle länger arbeiten
dürfen, wenn wir so viel älter werden…. Allerdings denke ich, dass es keinen
großen Unterschied machen wird, da sich ja auch das Verhalten der Menschen
entsprechend verändert. Menschen von heute sind mit 60 so wie Menschen mit 50 in
früheren Jahren, zumindest hört man das so…. Und ich persönlich unterstütze
sehr den Trend “alt, erfahren und gesund”.

Leser: Aufgrund des heutigen Themas, das mich
sehr interessiert, bin auf das Buch „Zukunftsstrategien“ von Ralph Scheuss
gestoßen. Würden Sie dieses Buch zur Vertiefung des heutigen Chats empfehlen
oder haben Sie einen anderen Favoriten?

Waltraud Martius: Dieses Buch
kenne ich nicht. Danke für den Tipp. Ich lese alle Bücher von Jeremy Riffkin.
Und derzeit “2020”.

Waltraud Martius: Liebe
Chat-Teilnehmer: Ihre vielen Fragen und Beiträge haben mich ganz vergessen
lassen, wie schön die Sonne hier in Zypern scheint. Ich schicke Ihnen also
nochmals ein paar Strahlen davon 🙂 Allen Beteiligten wünsche ich auf dem Weg
des Franchising viel Kraft und Engagement. Die qualitative Weiterentwicklung des
Franchising ist aus meiner Sicht der einzig richtige Weg. Die Partizipation und
das Empowerment sind dazu die richtigen Instrumente, um auch in der Zukunft der
Welt gewachsen zu sein. Herzlichst und eine gute Zeit, Ihre Waltraud Martius

Waltraud Martius
SYNCON International Franchise Consultants

Waltraud Martius ist Franchise-Beraterin und Mitbegründerin des Österreichischen Franchise-Verbandes (ÖFV). Außerdem ist sie Mitherausgeberin und Autorin mehrerer Bücher über Franchising.

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