Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Franchise-Strategie zur Multiplikation von Geschäftskonzepten

Hubertus Boehm: Liebe
Teilnehmer, dies sind die “närrischen Tage”. Viele haben jetzt ganz andere Dinge
im Kopf – nur nicht Franchising. Deshalb freue ich mich, dass Sie heute dabei
sind. Ihr Hubertus Boehm

Leser: Sehr geehrter Herr Dr. Böhm, kürzlich
hörte ich, dass die Vermittlungsagentur initiat derzeit eine Krise mit größeren
personellen Veränderungen durchmacht. Lassen sich solche periodischen Krisen
überhaupt in einem Franchise-System vermeiden, wenn selbst Franchise-Experten
davon betroffen sind?

Hubertus Boehm: Von einer
vermeintlich schwierigen Situation des Unternehmens weiß ich nichts. Mir ist
initiat als eine ausgesprochen leistungsfähige Organisation bekannt. Der Gründer
und Inhaber ist ein sehr erfahrener Franchise-Experte. Nach längerer Tätigkeit
bei OBI kennt er die Anforderungen an ein effizientes Kooperationssystem sehr
gut. In der OBI-Philosophie hat das Thema “Konflikt-Management” einen hohen
Stellenwert. Dies bestätigt auch, dass Konflikte in einer Partnerschaft generell
nicht vermeidbar sind. Je intensiver eine Kooperation ist, desto größer ist auch
das Konfliktpotenzial. Mit anderen Worten: Konflikte in einem Franchise-System,
dieser “Ehe” zwischen Unternehmern, sind vorprogrammiert – wie in jeder
richtigen Ehe. Konfliktmanagement ist eine Daueraufgabe der
Systemzentrale.

Leser: Hallo, wie wichtig ist ein
Pilotbetrieb? Sollte ich bei der Auswahl eines Systems darauf achten?

Hubertus Boehm: Ein Pilotbetrieb
ist unverzichtbar. Eigentlich sollten es zwei Betriebe sein oder sogar drei,
weil bei einem einzigen Pilotbetrieb nicht ganz sicher ist, dass die Ergebnisse
auf andere Standorte übertragbar sind. Dabei spielt selbstverständlich auch die
Branche eine Rolle. Generell ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass im
Franchising Know-how “verkauft” wird. Darunter ist Erfahrungswissen zu
verstehen. Eine bloße Idee oder ein Geschäftskonzept auf dem Papier stellt kein
Know-how dar und kann daher nicht Grundlage eines Franchise-Vertrags werden. So
sehen das auch die Gerichte. Letztlich “verspricht” der Franchise-Geber (FG)
seinen künftigen Franchise-Nehmern (FN) eine gewinnbringende Existenz. Dies kann
er guten Gewissens nur dann tun, wenn er mit einem Pilotbetrieb nachweist, dass
das Geschäftskonzept dauerhaft ertragreich ist. Der Deutsche Franchise Verband
(DFV) nimmt daher als Vollmitglieder nur Unternehmen auf, die mindestens ein
Jahr lang erfolgreich pilotiert haben.

Leser: Guten Morgen Herr Dr. Böhm, ich habe
die Chance, als ersten Franchise-Nehmer in ein neues Franchise-System
einzusteigen. Momentan beschäftigen mich die Fragen, wie ich mein Risiko
einschätzen und begrenzen kann und inwieweit der Franchise-Geber seinem ersten
Partner finanziell entgegen kommen sollte.

Hubertus Boehm: Selbstverständlich
hat der erste FN ein höheres Risiko als der 20. oder 50. Wenn der FG mindestens
ein Jahr lang einen oder mehrere Pilotbetriebe erfolgreich geführt hat, ist
zunächst die Akzeptanz des Geschäftskonzepts im Markt bestätigt. Da
Pilotbetriebe immer Filialen sind (weil man nicht mit dem Kapital anderer
experimentieren kann), hat der FG noch keine Erfahrung, wie die Kooperation mit
einem selbstständigen Franchise-Unternehmer funktioniert. Insofern hat die
Zusammenarbeit mit dem ersten FN einen experimentiellen Charakter. So wie ein
Autohersteller bei der Markteinführung eines neuen Modells besonders kulant sein
muss, wenn “Kinderkrankheiten” auftreten, muss auch der FG alles daran setzen,
dass der FN durch fehlende Kooperationserfahrung nicht benachteiligt wird.
Sonderkonditionen sind durchaus üblich, insbesondere im Marketing. Davon
abgesehen wird häufig die Eintrittsgebühr reduziert. Wichtig für Sie ist neben
einer intensiven eigenen Marktforschung vor allem eine umfassende
vorvertragliche Aufklärung durch den FG. Was sie umfasst, geht aus einer
Richtlinie des DFV hervor. Besonders wichtig ist in Ihrem Fall der Einblick in
testierte betriebswirtschaftliche Daten des Pilotbetriebs. Ganz anders ist
natürlich die Situation, wenn Sie der erste FN eines Filialisten sind, der seit
langer Zeit zahlreiche Filialen an vergleichbaren Standorten betreibt. In diesem
Fall können Sie von fundiertem Erfahrungswissen ausgehen, auch im Zusammenspiel
von Vertriebsstellen und Zentrale.

Leser: Lieber Herr Dr. Böhm, woran erkenne ich
überhaupt ein Erfolg versprechendes Franchise-System und wo erhalte ich
zuverlässige Anhaltspunkte?

Hubertus Boehm: Im vorangegangenen
Kommentar habe ich Ihre Frage in wesentlichen Punkten bereits beantwortet. Die
umfassende vorvertragliche Aufklärung gehört zu den wesentlichen Aufgaben eines
FG. In anderen Ländern ist sogar gesetzlich geregelt, welche Informationen der
FG dem FN vor Vertragsabschluss zur Verfügung stellen muss. In Deutschland
geschieht dies auf freiwilliger Grundlage im Rahmen des DFV
(www.franchiseverband.com). Die Verbandsrichtlinie zur vorvertraglichen
Aufklärung ist für alle Mitglieder verpflichtend. Insofern ist die
Vollmitgliedschaft (nicht die primär informative “assoziierte Mitgliedschaft”)
ein Gütesiegel. Es wird auch von Banken bei der Finanzierung von FN zunehmend
gewürdigt. Auch unter dem Gütesiegelaspekt achtet der DFV sorgfältig auf die
Seriosität und Leistungsfähigkeit seiner Mitglieder. Qualitätssicherung gehört
zu den hochrangigen Verbandszielen. Ein wesentliches Instrument ist der
System-Check, dem sich jedes neue Vollmitglied unterwerfen muss. Er wird
regelmäßig wiederholt und enthält auch eine Befragung einer Stichprobe von FN
hinsichtlich der Partnerzufriedenheit.

Leser: Können Sie entstehenden
Franchise-Netzwerke außerhalb des Internets – ich meine das Franchise Portal –
weitere kostengünstige Wege aufzeigen, um erste Partner zu finden?

Hubertus Boehm: Die Gewinnung der
Franchise-Partner gehört zu den mühsamsten und aufwendigsten Aufgaben des FG.
Dies gilt insbesondere deshalb, weil der FG seinen unternehmerischen
“Ehe”-Partner sorgfältig prüfen und auswählen sollte, bevor er einen in der
Regel zehnjährigen unkündbaren Vertrag über intensive Kooperation abschließt. Zu
prüfen sind nicht nur Einsatzbereitschaft und fachliche Eignung, sondern auch
persönliche Kompatibilität und partnerschaftliche Kompetenz. Etliche FG stöhnen,
weil sie einen oder mehrere notorische “Querulanten” an “Bord haben”, die ihnen
eines wesentlichen Teil der kostbaren Zeit “stehlen”. Deshalb müssen zunächst
möglichst viele Interessenten gefunden werden, aus denen dann die wirklich
geeigneten Partner ausgewählt werden können. Bei manchen Franchise-Systemen
beträgt die “hit-rate” nur 3 %. Um die Kontakte zu bekommen, werden gewöhnlich
alle verfügbaren Medien gleichzeitig genutzt. Dazu gehören insbesondere
Franchise Portale, START!-Messe, Franchise-Kataloge, Printmedien und Vermittler.
Als kostengünstige Variante werden zunehmend auch Job Portale gewählt.

Leser: Kennen Sie Geschäftskonzepte, die
speziell für den Franchise-Vertrieb entworfen wurden? Woran erkennt man in
diesem Fall die Marktreife?

Hubertus Boehm: Franchise-Systeme
entwickeln sich aus unterschiedlichen “Quellen”. Eine davon sind Filialisten,
die ihr Netzwerk durch FN verdichten. Hier ist die Markteignung keine Frage.
Eine andere Quelle sind Unternehmen, die Franchising unter strategischen
Aspekten wählen, weil sie damit relativ schnell ein marktweites Vertriebsnetz
für ihre Produkte, Sortimente und Dienstleistungen aufbauen können. Hier ist
zunächst die Marktreife durch einen eigehenden Pilottest zu klären. Eine dritte
Gruppe sind Unternehmer, die zunächst ein einzelnes Geschäft erfolgreich
betreiben und erst nach einiger Zeit auf die Idee kommen, diesen Erfolg durch
Franchising zu multiplizieren. Hier ist die Marktreife zumindest lokal ebenfalls
gegeben. Zu prüfen ist nur, ob sie sich auf andere Regionen übertragen lässt.
Fazit: Marktreife erkennt man immer an erfolgreich laufenden Betrieben.

Leser: Guten Tag Herr Dr. Böhm, mit welchen
Kosten ist bei Aufbau und Expansion eines Franchise-Systems aus Sicht des
Franchise-Gebers zu rechnen?

Hubertus Boehm: Diese Frage wird
uns natürlich immer wieder gestellt. Die lapidare, aber unbefriedigende Antwort
kann nur lauten: “Das kommt drauf an”. Wir meinen damit: die Branche, den
Geschäftstyp (z.B. Fachmarkt, Einzelhandelsgeschäft, Werkstatt, mobiler Service,
Direktvertrieb an der Haustüre), die Marktreife des Geschäftskonzepts, die
vorhandene Infrastruktur, die etablierten Prozesse und Tools, die
Kooperationserfahrung. Sie merken schon: die Spannweite der Kosten ist
außerordentlich groß. Deshalb kann man ohne detaillierte Kenntnis des Konzepts
und der Situation des Unternehmens keine konkrete Zahl nennen. Die wesentliche
Kostenträger sind Entscheidungsfindung, Grundlagenkonzept des Geschäftstyps und
des Franchise-Systems, Know-how-Dokumentation im Franchise-Handbuch (Zeitaufwand
bis zu 100 Manntage), Controlling-Konzept und -Tools, Franchise-Vertrag
(Anwalt), Pilotbetrieb, Gewinnung, Selektion und Schulung von Franchise-Nehmern.
Das Aufwendigste sind die “Durststrecke” des (der) Pilotbetriebs (e), die
Gewinnung von FN und die “Durststrecke” einer Mini-Systemzentrale bis zur
Gewinnschwelle (break even point).

Leser: Hallo Herr Dr. Böhm, Sie erwähnen (als
neutraler Berater?) oft den DFV. Als neues System können wir uns keine
Mitgliedschaft leisten. Haben wir deshalb weniger Chancen FN zu finden?

Hubertus Boehm: An meiner Antwort
zur letzten Frage erahnen Sie schon, in welche Dimension die Kosten für die
Entwicklung eines Franchise-Systems laufen können. In diesem Rahmen dürfte der
Mitgliedsbeitrag für den DFV eigentlich kein Thema sein. Der DFV ist nun einmal
diejenige Institution, die sich seit 30 Jahren unter ehrenamtlichem Einsatz
namhafter FG um die Förderung des Franchising in Deutschland bemüht. Die
Aufgaben des DFV sind vielfältig: Lobby-Arbeit in der Legislative im Hinblick
auf denkbare Franchise-Gesetze, PR für Franchising als zukunftsweisende
Vertriebsform, Erfahrungsaustausch mit ausländischen Franchise-Verbänden sowie
zwischen den Mitgliedern, Kontakte zu Banken, Qualitätssicherung durch
System-Checks sowie Überprüfung von Handbüchern und Verträgen, Seminare in
Zusammenarbeit mit dem Deutschen Franchise Instituts (DFI,
www.deutsches-franchise-institut.de), Informationsknoten für alle Fragen zum
Franchising. Ein Beispiel für die Initiativen des DFV und insbesondere seines
Präsidenten, Dr. h.c. Dieter Fröhlich, ist die von der Deutschen Bank in
Frankfurt eingerichtete Abteilung “Franchising”. Die zentrale Systemprüfung
trägt wesentlich dazu bei, die Barriere der FN-Finanzierung zu überwinden.
Gerade dies war in der Vergangenheit ein wesentlicher Hemmschuh für die
Entwicklung des Franchising. Aber selbstverständlich können Sie auch ohne
Mitgliedschaft FG sein und FN finden.

Leser: Wie gehe ich bei der Erstellung des
Franchise-Nehmer-Suchprofils vor?

Hubertus Boehm: Zunächst gehen Sie
erst einmal genauso vor, als würden Sie einen angestellten Filialleiter suchen.
Fachlich gibt es da keinen Unterschied. Zusätzlich sollten Sie dann diejenigen
Kriterien auflisten, die sich auf die Eignung für eine effiziente Partnerschaft
beziehen, wie Loyalität, Teamfähigkeit, Kompromissbereitschaft, Akzeptanz von
Gruppendisziplin etc. Die partnerschaftlichen Aspekte haben insbesondere deshalb
einen hohen Stellenwert, weil Sie einem Angestellten kündigen können, mit einem
FN aber die gesamte Vertragslaufzeit arbeitsteilig zusammenarbeiten
müssen.

Leser: Guten Tag! Warum verstecken sich das
Network-Marketing zunehmend hinter der Franchise-Flagge? Als konkurrierende
Vertriebsform schneidet Network Marketing doch gar nicht so schlecht ab, wie man
an den Milliardenumsätzen einiger Systeme sieht.

Hubertus Boehm: Der Ruf des
Netzwerk-Marketing hat durch einige “schwarze Schafe” in der Vergangenheit
gelitten. Die Expansions- und Umsatzerfolge sind unbestritten. Problematisch ist
die Qualitätssicherung. Aufgrund der vielen Ebenen hat die Zentrale keinen
Einfluss auf die Auswahl und Qualifizierung der Vertriebspartner “an der Front”.
Auch kann sie die Expansion des Netzes nicht steuern. Unter diesen Aspekten
können Elemente des Franchise-Prinzips dazu beitragen, die Strukturen zu
straffen und ein effizienten Qualitätsmanagement umzusetzen.

Hubertus Boehm: So, liebe
Teilnehmer, jetzt kann der Fasching oder Karneval beginnen! “Helau” und “Alaaf”
oder wie das sonst noch heißen mag. Bis zum nächsten Mal, Ihr Hubertus
Boehm

Dr. Hubertus Boehm
SYNCON Consulting GmbH

Dr. Hubertus Boehm ist seit 1972 auf die Entwicklung von Franchise-Systemen spezialisiert und gehört auf diesem Gebiet zu den Pionieren im deutschsprachigen Raum.

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