Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Innovative Franchisekonzepte

Veronika Bellone: Schönen
guten Morgen, liebe Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer. Ich freue mich auf
Ihre Fragen rund um (innovatives) Franchising. Ihre Veronika Bellone

Leser: Guten Morgen, Frau Prof. Bellone: Wie
schätzen die Innovationskraft der Franchise-Wirtschaft im deutschsprachigen Raum
grundsätzlich ein? Wo sehen Sie eher Licht, wo Schatten?

Veronika Bellone: Guten Morgen,
lieber Chat-Teilnehmer. Grundsätzlich sehe ich die meisten Innovationen in
Branchen, die heute nicht in einem Atemzug mit Franchising genannt werden. In
der Industrie zum Beispiel. Dort werden Produkt- und Prozess-Neuerungen
zunehmend lizenziert oder franchisiert vergeben.

Leser: Liebe Frau Professor: Können Sie uns
ein Beispiel für ein innovatives Franchise-Konzept nennen, das Sie in jüngster
Zeit besonders beeindruckt hat?

Veronika Bellone: Besonders
beeindruckt hat mich die iNovitas AG, ein Spin-off unserer Hochschule, an der
ich im Marketing und für Entrepreneurship tätig bin. Es handelt sich dabei um
einen 3D-Bilddatendienst, der hochauflösende Bilder für den Hoch- und Tiefbau
erstellen kann. Hier geht es in der Franchise-Kooperation um komplementäre
Franchise-Partnerschaften. Also um Betriebe, die diese Software einsetzen, aber
in der Folge auch an der Weiterentwicklung beteiligt sind.

Leser: Hallo Frau Prof. Bellone! Wie sorgt man
als Franchise-Geber für eine produktive Innovationskultur?

Veronika Bellone: Eine
Innovationskultur braucht einen guten “Nährboden”, d.h. es müssen entsprechende
Plattformen und Werkzeuge dafür geschaffen werden. Inspirationen für
Innovationen erhalten Sie u.a. durch die Beobachtungen im Alltag, im Umgang mit
Kunden und Lieferanten, in der Verwendung und Anwendung Ihrer Produkte bzw.
Aufnahme Ihrer Dienstleistungen. Damit wichtige Impulse nicht verloren gehen,
braucht man Ideenblätter für die Franchise-Partner/innen oder ein internes Wiki
für die Optimierung von Prozessen, Produkten etc. Innovationen stellt man sich
immer als etwas Grosses vor, aber es sind oft die kleinen Dinge, die spannende
Konzepte zur Folge haben. Nehmen Sie die schweiz. Firma BlackSocks, auf
Abonnements schwarzer Socken spezialisiert – ein Erfolg seit 15 Jahren.

Leser: Welche Maßnahmen empfehlen Sie
Franchise-Gebern, damit gute Ideen nicht wieder verloren gehen?

Veronika Bellone: Schreiben Sie
ein “Logbuch”. Das empfehle ich meinen Kunden. Es sind wirklich die vielen
kleinen Auffälligkeiten im Alltag, die sich lohnen notiert zu werden. Es gibt so
unglaublich viele Optimierungsmöglichkeiten im Arbeitsalltag und jede
Bequemlichkeit, Zeitersparnis für den Kunden, macht Sie mit Ihrem Konzept
attraktiver. Und im System selbst sollten Sie – wie vorgenannt – eine
Ideenplattform für Ihre Partner/innen einrichten mit der Möglichkeit, aufgrund
von Beurteilungskriterien Rankings vorzunehmen.

Leser: Guten Morgen! Die Systemgastronomie mit
ihren perfektionierten Abläufen sind doch die Aushängeschilder des Franchisings.
Wären Franchise-Systeme nicht eigentlich für Prozessinnovationen prädestiniert?

Veronika Bellone: Die
Standardisierungsprozesse, wie sie in der Systemgastronomie gelebt werden,
gehören zur Grundausstattung beim Aufbau eines Franchise-Systems. Der Gedanke
dahinter muss immer sein: Was lässt sich sinnvoll und im Sinne der Effizienz
standardisieren, um mehr Raum für Individualität zu gewinnen, die wichtig für
die Kundenbeziehung ist.

Leser: Fehlen der Franchise-Wirtschaft
vielleicht die notwendigen Visionen und auch die finanziellen Mittel, um
grundlegende Innovationen auf den Weg zu bringen?

Veronika Bellone: Jetzt muss ich
auch das viel publizierte Wort “Querdenken” bemühen, aber ich denke, dass es
notwendig ist, vermehrt branchenübergreifend zu denken, um sich von Lösungen
inspirieren zu lassen, die man in den eigenen Reihen aufgrund einer gewissen
Fachblindheit nicht bekäme. Neben anderen Branchen halte ich auch das Vorgehen
für sinnvoll, sich generell lösungsorientierter zu verhalten. Welche
Zielsetzungen möchte ich mit meinem Unternehmen erreichen, um sich dann
losgelöster von der eigenen (Franchise-)Branche zu entwickeln.

Leser: Vor einiger Zeit las ich in einem
Strategie-Lehrbuch, dass ein Unternehmen seine Vergangenheit vergessen solle, um
zukunftsfähig zu werden. Würden Sie bei Ihrer Strategieempfehlung so weit
gehen?

Veronika Bellone: Bei meinen
Strategie-Workshops gehört auch die Vergangenheitsbewältigung dazu, aber nach
dem Muster, was hat sich bewährt und was nicht. Welche internen und externen
Gründe liegen dafür vor? Je nachdem muss vielleicht Grundlegendes in der
Unternehmenskultur, in der Führung geändert werden, um sich zukünftiger
Herausforderungen zu stellen.

Leser: Unternehmer sollen nach besagtem
Lehrbuch nicht im, sondern am Unternehmen arbeiten. Gilt das nicht besonders für
Franchisegeber? Dadurch können sich ihre Franchisepartner guten Gewissens auf
ihr Tagesgeschäft konzentrieren.

Veronika Bellone: Im Franchising
geht es immer auch um das Austarieren von Geben und Nehmen. Ein
Franchise-Geber/eine -Geberin sollte immer noch soweit involviert sein, dass er
oder sie das Geschäft und die Veränderungen im Berufsalltag versteht und
nachvollziehen kann. Die Hauptaufgabe der Systemzentrale betreffend
Weiterentwicklung ist die Bündelung und Auswertung von Informationen, die über
die Franchise-Partner/innen, Kunden und Kundinnen und weitere Anspruchsgruppen
eingehen. Dazu kommen noch die technologischen, trendgemässen, politischen,
nachhaltigen Einflüsse. Das ist ein komplexes Unterfangen, aber es ist
“überlebenswichtig”.

Leser: Wo sehen Sie die maßgeblichen
Stellschrauben, um mehr Schwung in ein etabliertes Franchisesystem zu
bringen?

Veronika Bellone: Mehr Schwung
sollte immer von den Partnern und Partnerinnen mitgetragen werden. Deswegen kann
ein gemeinsames Projekt – entweder über den Produkt- oder Werbebeirat –
interessant sein. Nennen Sie das Projekt “Schatzsuche” und erstellen Sie
gemeinsam Kriterien und Spielregeln für ein neues Produkt oder für eine
Optimierungsmöglichkeit im System.

Leser: Was kann ein Franchise-Geber konkret
tun, um sein Innovationsmanagement zu verstärken? Was bringt dem
Franchise-System den größten Schub? Wie lauten erfolgversprechende
Innovationsziele?

Veronika Bellone: Wir entwickeln
dafür mit unseren Kunden zum Beispiel Balanced Scorecards. Innovationen können
sich auf das Leistungsangebot beziehen und dabei sollte man sich bei der
Zielsetzung vor allem nach dem Kundennutzen fragen. Denn nicht die Innovation
als solche hat Erfolg, sondern worin sie Abhilfe oder einen Mehrnutzen für eine
Anspruchsgruppe schafft. Bei internen Innovationen, die die Prozesse
nachhaltiger aufstellen, können Sie ökologische oder soziale Ziele in den
Vordergrund stellen, die der Kosteneinsparung, der Umweltverantwortung und/oder
dem Arbeitsklima zuträglich sind.

Leser: Manifestiert sich in der heutigen
Startup-Szene nach Ihrer Einschätzung die technische Überlegenheit einer
Generation von Digital Natives oder aber deren Kreativität bei der Ausgestaltung
von Geschäftsmodellen?

Veronika Bellone: Es ist beides.
Zum einen gibt es die Startups, deren Geschäftskonzept auf der digitalen
Vernetzung oder auf neuen Anwendungen basieren. Zum anderen gibt es eine
Vielzahl recht konventioneller Konzepte, wie es z.B. Outfittery mit dem
Onlineshop für Herrenbekleidung bietet, deren USP aber vor allem in der
Stilberatung liegt, im Zusammenstellen der Kleidung aus über 70 Marken je nach
Kundenprofil. Auch beim “Überflieger” Uber als Limousinendienst geht es
eigentlich um ein konventionelles Geschäft von Fahrleistungen, aber die
Darbietung und Vernetzung ist aufgrund technologischer Möglichkeiten und dem
Brechen mit Traditionen anders gelöst.

Leser: Erfordern Innovationen ab einer
gewissen Größenordnung formalisierte Prozesse? Welche Rolle spielt die
Informationstechnologie im Rahmen eines strukturierten Innovationsmanagements?

Veronika Bellone: Auch wenn es
eingrenzend wirkt, aber Innovationen brauchen strukturierte Prozesse – da
ansonsten die Gefahr besteht, dass es reine Erfindungen bleiben, die zwar
spannend sind, aber für die manchmal kein Markt vorhanden ist. Ein gemeinsames,
internetbasiertes Tool ist wichtig, um mit den Projektpartnern und -Partnerinnen
an einer Neuerung zu arbeiten. Stellen Sie einen Kriterienkatalog auf. Welchen
Herausforderungen wollen Sie mit der Innovation begegnen? Was wollen Sie mit der
Innovation erreichen? Inwieweit dient es Ihrer Strategie der Marktbearbeitung
(Können Sie damit kundenorientierter, zielgruppenspezifischer vorgehen?), der
Markterweiterung (Können Sie damit geografisch einen neuen Markt erschliessen
oder neue Kunden gewinnen?), der Marktbehauptung (Können Sie damit eine führende
Rolle in Ihrer Branche einnehmen?). Entsprechend solcher und weiterer
Fragestellungen können Sie Kriterien generieren und Prioritäten setzen.

Leser: Gibt es nicht u.U. eine negative
Wechselwirkung zwischen Standardisierung und Innovation in dem Sinne, dass die
hohe Standardisierung im Franchising nur eine geringe Innovationsrate erlaubt?
Ich möchte meine spontane These damit begründen, dass jede kreative Abweichung
vom Standardprozess im Franchising für „Sand im Getriebe“ und entsprechende
Kosten sorgt. Dagegen würden Prozess- oder Produktinnovationen die Abläufe in
einem „chaotischen“ Startup-Unternehmen kaum behindern.

Veronika Bellone: Nun handelt es
sich bei den beispielhaft genannten Ausprägungen um zwei Extreme. Das hoch
standardisierte System, das vor allem in der Gastronomie, in der Produktion
gelebt wird und das kreativgeladene Startup, das naturgemäss zu Beginn noch
wenig strukturiert scheint. Die grosse Bandbreite dazwischen, die z.B. von
Dienstleistungskonzepten getragen wird, agiert in der Regel “freizügiger”
betreffend Standards im System, weil sich diese schwerer durchsetzen lassen. Ich
bin der Meinung, dass zukünftig – gerade bei der neuen Generationen von
Franchise-Partnern und Partnerinnen – weniger starre Regeln gefragt sind,
sondern gemeinsame Ziele. Das lässt mehr Raum für die eigene Entwicklung und für
die Entwicklung des ganzen Systems.

Leser: Hallo! Die Schwierigkeit, sich von
früheren beruflichen Erfahrungen zu lösen, blockiert nach meiner Erfahrung oft
kreative Ansätze. So werden Vorschläge neuer Mitarbeiter häufig mit dem Argument
zurückgewiesen, dass man Ähnliches bereits erfolglos versucht habe. Andererseits
will man ja nicht den gleichen Fehler nochmals begehen. Wie lässt sich dieses
Dilemma lösen?

Veronika Bellone: Ja, das kenne
ich sehr gut aus meinen Kundenberatungen, dass immer wiederkehrende Vorschläge
von Franchise-Nehmern und -Nehmerinnen kommen, die man gerne als
Franchise-Geber/in gleich im Keim ersticken möchte. Wichtig finde ich von daher
das von mir vormals erwähnte Logbuch. Ideen und Versuche, die einmal
stattgefunden haben, müssen bewertet und nach Kriterien notiert werden. So lässt
sich auch späterhin nachvollziehen, warum oder woran ein Projekt gescheitert
ist. Ben & Jerrys, amerik. Franchise-Geber für Eiscrème, hat dafür einen
“Friedhof der Ideen” entwickelt. Es kann aber sein, dass zu einer späteren Zeit,
eine Idee durchaus Chancen hätte – deswegen ist die strukturierte Darstellung
der gescheiterten Sachen so wichtig.

Leser: Meist sind aber nicht die Ideen das
Problem, sondern ihre Priorisierung und Weiterentwicklung. Dafür fehlt uns ein
Bewertungsraster, mit dem sich die Chancen und Risiken systematisch abwägen
lassen. Haben Sie dazu einen Tipp?

Veronika Bellone: Innovationsmanagement ist komplex und entsprechend sind auch
Bewertungsraster immer auf das Objekt anzulegen. Wie ich vorhergehend genannt
habe, kann sich die Bewertung einer Idee auf deren Gehalt zur Optimierung
interner Strukturen beziehen, da können Effizienz, Aktualität, Flexibilität als
Kriterien eine grosse Rolle spielen. Bei Produktideen sind es Kriterien wie z.B.
Nachhaltigkeit, Kosteneffizienz, Produktablösung etc.

Leser: Welche Kreativitätstechniken haben sich
im Innovationsprozess von Franchise-Systemen bewährt?

Veronika Bellone: Bewährt hat
sich das Kreativ-Café. Mit dieser Form, die wir auch in unserem “Praxisbuch
Franchising” beschrieben haben und die moderierte Gruppen und
lösungsorientiertes Vorgehen mit Brainstorming verbindet.

Leser: Muss ein Franchise-System seine
Innovationsbestrebungen zügeln, wenn es durch den Partnerzuwachs und das
Tagesgeschäft stark beansprucht wird? Also erst mal die wichtigsten Hausaufgaben
erledigen?

Veronika Bellone: Hausaufgaben
sind wichtig, aber dazu muss von Beginn an auch gehören, den Pool für
Weiterentwicklung zu bilden und zu pflegen. Das Marktumfeld ist dermassen
dynamisch, dass man sich eine “Auszeit” an Mitentwicklung nicht nehmen
sollte.

Leser: Würden Sie als Franchise-Geberin eher
auf die Verbesserung von Bestehendem setzen oder sich um völlig neuartige
Produkte bzw. Dienstleistungen bemühen?

Veronika Bellone: Ich sehe in der
Verbesserung enormes Potenzial! Völlig Neues braucht jeweils eine längere
Erprobungsphase mit weitaus grösserem Risiko. Als parallel laufende Massnahme
für eine engagierte Projektgruppe und als Incentive für Franchise-Partner/innen
kann die Entwicklung von vollkommen Neuem interessant sein.

Leser: Wie entwickelt man eine überzeugende
Vision für ein Franchise-System? Und für welchen Zeitraum?

Veronika Bellone: Eine
überzeugende Vision ist von eigenen Wunschvorstellungen getragen, die man häufig
nicht allein aus sich heraus formulieren kann oder möchte. Dafür ist ein
Sparringpartner gut, ein Coach. Ich halte mit einigen langjährigen Kunden solche
Coachinggespräche. Damals zur Formulierung der Vision und fortdauernd zum
Verlauf – denn auch Visionen unterliegen Anpassungen, Veränderungen. Aber sie
hören nicht auf bzw. sollten sie nicht aufhören!

Leser: Braucht die Franchise-Wirtschaft also
junge, intelligente, ehrgeizige Studienabsolventen – z.B. als Innovationsmanager
– für die Erneuerung der Geschäftsmodelle? Wie wäre das Innovationsmanagement
organisatorisch optimal zu verankern?

Veronika Bellone: Eine gute
Durchmischung von jungen Absolventen und erfahrenen Mitarbeitenden ist
vorteilhaft, weil es sich gut ergänzt. In der Unternehmenskommunikation, im
Marketing ist der Einfluss von Digital Natives zielführend. Ich sehe aber
weniger die strenge Zuteilung nach Alter, sondern eher danach, wie bringe ich
die Kreativität, die durchaus altersungebunden sein kann, so auf den Boden, das
sie sich materialisiert und umgesetzt werden kann. Dafür braucht es innovative
Köpfe und auch Kritiker, die hinterfragen und abwägen. Dafür müssen Gefässe und
Regel geschaffen werden.

Leser: Mit welchen Techniken lassen sich
Märkte mit Potenzial identifizieren, die momentan noch vor sich hin dümpeln?

Veronika Bellone: Wir (Bellone
Franchise Consulting) nutzen dafür die Trendbeobachtung und ermitteln für Kunden
durch Beobachtung und Recherchen Marktpotenziale.

Leser: Erleichtern Techniken des Change
Managements die gezielte Umsetzung von erarbeiteten Visionen?

Veronika Bellone: Ja, weil sie
schrittweises Umsetzen verfolgen und nachvollziehen können.

Veronika Bellone: Liebe
Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer, was für ein spannender Chat. Dank für Ihre
Fragen. Ich wünsche Ihnen viele Inspirationen und gute Umsetzungen in Ihren
Unternehmen. Herzlichst Veronika Bellone

Prof. Veronika Bellone
Prof. Veronika Bellone
Bellone FRANCHISE CONSULTING GmbH

Erhalten Sie Experten-Knowhow im Newsletter!