Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Unterscheidung für Soft- oder Hard-Franchising

Hubertus Boehm: Guten Morgen,
liebe Teilnehmer, ich begrüße Sie und gehe davon aus, dass wir auch heute wieder
einen anregenden Dialog haben werden. Hubertus Boehm

Leser: Schönen guten Tag Herr Dr. Böhm, die
Begriffe „Soft-Franchising“ und „Hard-Franchising“ sind mir unbekannt. Handelt
es sich dabei um den Managementstil der Systemzentrale?

Hubertus Boehm: “Soft-Franchising”
ist kein offizieller Begriff – er wird häufig für das Lizenz-System verwendet.
Darunter versteht man ein “weiches” Franchise-System mit begrenzten Vorgaben und
Dienstleistungen. Die Abgrenzung zum “echten” Franchising ist fließend. Als
Maßstab hierfür gilt das sogenannte “Business Formate Franchising”. Es ist die
konsequenteste Variante der arbeitsteiligen Kooperation. Sie umfasst das
Nutzungsrecht für Marke und Know-how sowie umfassende Dienstleistungen der
System-Zentrale auf allen Gebieten, die für den Erfolg des Franchise-Nehmers
wesentlich sind. In dieser Urform des Franchising wirkt der Franchise-Geber
aktiv an operativen Funktionen des franchisierten Betriebes mit. Im
Lizenz-System (“Soft-Franchising”) bleibt der Franchise-Geber nach dem
Betriebsaufbau und der Grundschulung weitgehend passiv. Seine primären
Leistungen bestehen im Nutzungsrecht an Schutzrechten und geheimem
Erfahrungswissen. Er zeigt dem Franchise-Nehmer, wie das Geschäft erfolgreich
betrieben wird, und überlässt ihn dann weitgehend sich selbst.

Leser: Hallo Herr Dr. Böhm, lassen sich
Lizenzsysteme aufgrund der meist geringeren Kapitalbindung leichter
internationalisieren?

Hubertus Boehm: Da der Einfluss des
Franchise-Gebers auf den Franchise-Nehmer wesentlich geringer ist, entsteht in
der System-Zentrale zweifellos ein geringerer Aufwand hinsichtlich der Anpassung
an unterschiedliche Marktbedingungen und Kulturen. Daher kann die
System-Zentrale “schlanker” gehalten werden als im dienstleistungsorientierten
“echten” Franchising. Insofern mag auch die Kapitalbindung in der
System-Zentrale geringer sein. Es ist nur im Einzelfall zu prüfen, ob die
Attraktivität der Marke und des Geschäftskonzepts in anderen Ländern auf Dauer
gesichert werden kann. Dies ist zweifellos der Fall bei “großen” Marken mit
weltweitem Bekanntheitsgrad und zentral unter Verwendung von Geheimnissen
gefertigten Produkten. In den meisten Fällen ist jedoch die Marke im Ausland
noch nicht bekannt und das Geschäftkonzept grundsätzlich imitierbar. In dieser
Konstellation ist die Frage zu prüfen, ob im Lizenz-System eine stabile und
langfristige Partnerschaft zu erreichen ist. Im “echten” Franchising entstehen
durch arbeitsteilige Dienstleistungen Bindungskräfte, die das System dauerhaft
zusammenhalten.

Leser: Guten Tag Herr Dr. Böhm, sind
Dienstleistungssysteme eher im Soft-Franchising und Vertriebssysteme eher im
Hard-Franchising angesiedelt?

Hubertus Boehm: Gerade in
Dienstleistungssystemen habe ich meine Zweifel hinsichtlich der langfristigen
Stabilität. Ein Dienstleistungskonzept ist in der Regel leicht imitierbar.
Spätestens nach ein bis zwei Jahren weiß der Franchise-Nehmer, “wie es geht”.
Dann fragt er sich, wozu er laufend Franchise-Gebühren zahlen soll, die zudem
dann noch mit dem Umsatz steigen. Die umfangreichen Einführungshilfen des
Franchise-Gebers beim Start sind zu diesem Zeitpunkt vergessen. Oder der
Franchise-Nehmer sagt: “Gestern war gestern und heute ist heute”. Was dann noch
zusammenhält, sind allenfalls Erfahrungsaustausch und Jahrestagung mit
Motivationscharakter. Im Vertriebs-Franchising hat der Franchise-Geber andere
strategische Ziele. Er sucht einen marktweiten sicheren und steuerbaren
Vertriebsweg für seine Produkte oder sein Sortiment. Die Franchise-Nehmer
repräsentieren sein Unternehmen vor Ort. Unter diesem Aspekt kommt es darauf an,
dass alle Franchise-Nehmer konsequent einheitlich auftreten, die
Unternehmensphilosophie im Markt umsetzen und qualifiziert handeln. Zugleich
müssen die arbeitsteiligen Prozesse (z.B. Warenwirtschaft / Logistik) effizient
laufen. Dies ist ohne intensive operative Zusammenarbeit nicht möglich. Daher
ist für Vertriebs-Systeme im allgemeinen eine straffere Variante des Franchising
notwendig.

Leser: Macht es für ein junges System Sinn,
mit einem einfachen Lizenzkonzept zu starten, um es später in ein
betreuungsintensiveres Franchisesystem umzuwandeln? Wie wirkt sich das z.B. auf
die Gebühren aus?

Hubertus Boehm: Eigentlich macht es
keinen Sinn: Gerade in der Markteinführungsphase eines neuen Franchise-Systems
ist eine besonders intensive Unterstützung der Franchise-Nehmer vor Ort
erforderlich. Gewöhnlich handelt es sich um eine Verdrängungsstrategie. Die
Franchise-Nehmer müssen mit einem neuen Geschäftskonzept anderen Anbietern
Marktanteile abnehmen. Dies erfordert Wettbewerbsstärke. Sie ist gewöhnlich nur
dann zu erreichen, wenn Franchise-Nehmer und Franchise-Geber synergetisch
zusammenwirken. Davon abgesehen sind stets die ersten Franchise-Nehmer noch
immer in gewissem Grad “Versuchskaninchen” (soweit es nicht um ein im Markt
eingeführtes Filial-System geht). Schon deshalb ist gerade in der Aufbauphase
ein besonders intensives Zusammenwirken von Zentrale und Franchise-Nehmern
erforderlich. Ist das Franchise-System dagegen bereits marktweit platziert und
laufen die Prozesse reibungslos, so kann es durchaus sinnvoll sein, die
Dienstleistungsintensität zu reduzieren. Dies müsste sich dann allerdings auch
in den Gebühren niederschlagen. Es muss natürlich nicht für alle
Franchise-Nehmer gelten, sondern könnte durchaus auf die erfahrenen und
erfolgreichen “alten Hasen” beschränkt werden. Vereinzelt hat es solche Fälle
bereits gegeben. Die harte Phase diente dazu, die Betriebe im Markt einzuführen
und die Franchise-Nehmer zu qualifizieren. Sobald dieses Ziel erreicht wurde,
wurden “die Zügel gelockert”. Wenn Sie dagegen mit einem Lizenz-System beginnen,
wenden Sie gerade in der schwierigen Phase der Markteinführung und des
System-Aufbaus das schwächere Konzept an. Diese Strategie ist nicht logisch. Sie
deutet in der Regel auf eine Kapitalschwäche des Franchise-Gebers hin. Das
bedeutet generell ungünstige Startbedingungen. Davon abgesehen ist es
zweifelhaft, ob es bei dieser Strategie nach erfolgreicher Markteinführung
möglich sein wird, die “Zügel anzuziehen”, neue (vorher offenbar nicht
notwendige) Dienstleistungen einzuführen und gleichzeitig höhere Gebühren zu
verlangen. Wer “soft” beginnt, wird wohl auf Dauer “soft” bleiben müssen!

Leser: Welche Form des Franchising ist wann zu
bevorzugen? Gibt es dafür eine Leitlinie?

Hubertus Boehm: Das lässt sich
weitgehend aus meiner vorangegangenen Antwort zum Vertriebs-Franchising
ableiten. Wenn der Franchise-Geber aus strategischen Gründen ein
vertriebsstarkes Netzwerk aufbauen will, um seine Produkte oder sein Sortiment
mit Nachdruck im Markt zu verkaufen, erfordert dies eine “harte” Variante. In
Anbetracht des in nahezu allen Märkten bestehenden Verdrängungswettbewerbs muss
ein neuer Anbieter hohe Vertriebskraft besitzen. Dies erfordert eine konsequente
Umsetzung des erfolgreich erprobten Geschäftskonzepts, einen hohen
Qualifizierungsgrad der Franchise-Nehmer und ihrer Mitarbeiter sowie eine hohe
Verzahnung der operativen Funktionen. Diese Anforderungen erfüllt nur das
“echte” Franchising. Geht es dagegen darum, ein neues Geschäftskonzept (meist
eine Dienstleistung) möglichst oft national oder international zu
multiplizieren, um Einkommen aus den Gebühren zu generieren, dann kann eine
“weiche” Variante im Sinn des Soft-Franchising (Lizenz-System) sinnvoll sein.
Bei dieser Strategie nimmt man in Kauf, dass der Auftritt im Markt gelegentlich
variiert und einzelne Franchise-Nehmer weniger erfolgreich sind oder sogar
ausfallen.

Leser: Wie „soft“ darf ein Franchisesystem
sein, um noch als Franchising durchzugehen?

Hubertus Boehm: “Franchising” ist
zwar von Wissenschaftlern und insbesondere vom Deutschen Franchise Verband
(www.franchiseverband.com) definiert, der Begriff kommt aber in keinem deutschen
Gesetz vor. Insofern gibt es keine rechtliche “Messlatte” für die Gestaltung
eines Franchise-Systems. Sie sind in dieser Hinsicht völlig frei. So wie ein
Architekt aus unterschiedlichen Bauelementen das Haus zusammenstellt, so können
und sollten Sie Ihr Vertriebs-System nach Ihren ganz besonderen Anforderungen
“modellieren”. Das Maß der “Härte” ergibt sich aus Ihren Marktzielen, Ihren
Ressourcen (insbesondere Kapital) und dem Profil Ihrer typischen potenziellen
Franchise-Nehmer, die eine straffe Führung akzeptieren müssen. Ob Sie Ihr
individuell gestaltetes Vertriebs-Konzept “Franchise-System” nennen oder
“Lizenz-System” oder “Netzwerk” oder “Verbund”, ist völlig unerheblich. Wenn es
jemals zu einem Prozess kommen sollte, spielt der verwendete Begriff keine
Rolle. Der Richter schaut auf Umfang und Tiefe der Regelungen des Vertrags,
insbesondere die Beschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des
Franchise-Nehmers. Kritisch ist es vor allem, wenn die Vorgaben so weit gehen,
dass man beim Franchise-Nehmer unter Würdigung aller Facetten der Partnerschaft
nicht mehr von einem selbstständigen Unternehmer sprechen kann. Wo die Grenze
liegt, ist bei der Gestaltung des Konzepts nicht eindeutig erkennbar. Darüber
entscheidet der Richter im Einzelfall. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte
man die Vorgaben auf das strategisch wirklich notwendige Maß beschränken. Je
“softer” ein Franchise-System ist, desto geringer ist die Gefahr der Kollision
mit gesetzlichen Vorschriften.

Leser: Besteht bei Hard-Franchisesystemen die
Gefahr der Scheinselbstständigkeit? Ich erinnere an den Eismann-Fall?

Hubertus Boehm: Die Gefahr der
“Scheinselbstständigkeit” ergibt sich aus dem Umfang der Vorgaben und somit aus
dem Grad der Einschränkung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit. Wie bereits
in meiner vorangegangenen Antwort dargelegt, sollten deshalb die Beschränkungen
generell so gering wie möglich gehalten werden. Dies gilt übrigens nicht nur
unter gesetzlichen Aspekten, sondern auch im Hinblick auf das unternehmerische
Engagement der Franchise-Partner. Gerade das ist ja das eigentliche “Kapital”
eines Franchise-Systems. Davon abgesehen ist das Thema “Scheinselbstständigkeit”
nur relevant bei “Einzelkämpfern”, nicht bei Betrieben mit angestellten
Mitarbeitern oder bei Kapitalgesellschaften. Unter diesem Aspekt wurde ja auch
EISMANN umstrukturiert.

Leser: Hallo Herr Dr. Böhm, gibt es
vergleichende Studien, ob Hard- oder Soft-Franchising im Markt erfolgreicher
ist?

Hubertus Boehm: Ist mir nicht
bekannt. Das wäre ein Thema für eine Doktorarbeit. Es erhebt sich nur die Frage,
ob die Franchise-Systeme bereit sind, die erforderlichen Daten zur Verfügung zu
stellen. Außerdem ist zu definieren, was man unter Erfolg versteht. Oft haben ja
Franchise-Geber strategische Ziele. Die weltweit größten Systeme sind “harte”
Franchise-Systeme.

Leser: Nach Ihrer Definition betreiben wir
wohl Hard-Franchising. Wir haben sehr konkrete Vorstellungen von Profil und
Aufgaben unserer Franchisenehmer. Besteht Gefahr, dass unser auch in Medien
publiziertes Kandidatenprofil mit dem neuen Antidiskriminierungsgesetz
kollidiert?

Hubertus Boehm: Das ist ein ganz
neues Konfliktfeld. Ich bin kein Anwalt und darf keine rechtlichen Auskünfte
geben. Aber nach allem, was ich aus Gesprächen mit meinen Klienten weiß, können
hier Probleme entstehen. Dies gilt angeblich sogar schon dann, wenn ein
typischerweise auf weibliche Partner ausgerichtetes Geschäftskonzept (z.B.
kosmetische Dienstleistungen) öffentlich Partnerinnen (Frauen) sucht.

Leser: Der Ruf des Franchising hat ja auch
durch hohe Eintrittsgebühren und Abzocker gelitten. Vielleicht braucht die
Branche eine neue Marke und sollte besser von Hard- und Soft-“Licensing”
sprechen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Hubertus Boehm: “Franchising” ist
ein weltweit gebräuchlicher Begriff und inzwischen ein Synonym für das am
stärksten wachsende Vertriebskonzept überhaupt. Der Begriff klingt im Deutschen
nicht “schön”, aber ist nach 35 Jahren allgemein eingeführt. Dass es Missbräuche
gibt, ist unvermeidbar. Wenn ein Begriff einen hohen Bekanntheitsgrad mit
positivem Inhalt hat, gibt es immer “Trittbrettfahrer”. Das würde auch für einen
neuen Begriff gelten. Abgesehen davon gilt sicherlich, was die Beton-Industrie
als Slogan verwendet: “Es kommt darauf an, was man daraus macht.” … Oder
anders ausgedrückt: “Man es ge-brauchen oder miss-brauchen” – wie Dynamit! Wie
schon oben ausgeführt, können Sie für Ihr eigenes Franchise-System jeden Ihnen
sinnvoll erscheinenden Begriff verwenden.

Leser: Wie sehen sie einen erfolg mit einer
systemgastronomie, was zur zeit Mc Donalds und die Döner läden und einen China
imbiss in einem ort anzubieten. All in one.

Hubertus Boehm: Diese Frage bezieht
sich weniger auf das Franchising als vielmehr auf das Marketing-Konzept. Ob der
Markt das Ihnen vorschwebende Konzept akzeptiert, kann ich nicht beurteilen.
Wahrscheinlich kann man das nur testen. Angeblich soll es (zumindest in Zürich)
einen gastronomischen Betrieb geben, in dem die Küche mehrerer Nationen unter
einem Dach angeboten wird.

Hubertus Boehm: Das waren wirklich
interessante Fragen. Auch mir hat das Nachdenken darüber Freude gemacht.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit Ihren Franchise-Plänen. Bis zum nächsten Mal,
Ihr Hubertus Boehm.

Dr. Hubertus Boehm
SYNCON Consulting GmbH

Dr. Hubertus Boehm ist seit 1972 auf die Entwicklung von Franchise-Systemen spezialisiert und gehört auf diesem Gebiet zu den Pionieren im deutschsprachigen Raum.

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